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Urteil in dem Verfahren gegen Oliver Pocher

Landgericht Hannover

Geschäfts-Nr.:

6 O 73/05

Verkündet am:

11. Januar 2006

_________________, Justizangestellte

als Urkundsbeamtin/beamter der Geschäftsstelle

Urteil

Im Namen des Volkes!

In dem Rechtsstreit

der ,

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ,

Geschäftszeichen: 2027/05BR06

gegen

Herrn ,

Beklagter,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ,

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2005 durch

die Vorsitzende Richterin am Landgericht ,

den Richter am Landgericht und

den Richter am Landgericht

für R e c h t erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.2.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 83 % und der Beklagte zu 17 %.

3. Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

**********************

Tatbestand

Die am geborene Klägerin macht einen Geldentschädigungsanspruch für Äußerungen des Beklagten in der ZDF-Sendung "Wetten, dass ...?" am 22.1.2005 geltend, die von ca. 14,5 Mio. Zuschauer verfolgt worden ist. Im Rahmen dieser Sendung trat der Beklagte als Moderator der Außenwette auf. Auf Grund der Außenwette hatte sich die Klägerin ihre Haare orange färben lassen. Sie wurde vom Beklagten interviewt, was live übertragen wurde. Dabei kam es zu folgendem Gespräch:

" :

Das ist Original . , hallo.

:

In orange.

:

Im Original-96-er-Trikot. Er hat den Spaß auch mitgemacht. Wir haben uns hier eben zusammen angesprüht und eh, das war ein riesen Spaß auf jeden Fall und wir haben noch ne Dame, die muss ich auch mal kurz vorstellen. Zu Kifi komm ich gleich noch mal. Kommen Sie mal ganz kurz her. Zeigen Sie mir mal bitte ganz kurz. Erst mal auch orange Haare. Hier haben wir Frau , ja, die hierher gekommen ist.

:

Oh, Frau . Herzlich Willkommen.

:

Ja!

:

Hallo . Entschuldigung. Wo ist denn jetzt das Mikrofon?

:

Ich bin aber , hallo.

:

Ja, ja. Hallo , hallo .

:

Vergessen Sie den , Frau .

:

Ja, was soll’n das heißen. Was hast Du gemacht am, eh ich sag mal ? Ich will ja nichts sagen, aber Du siehst echt ganz schön alt aus für Dein Alter.

:

Ja. Dankeschön.

:

Ja, gut. Aber 20.06. Moment.

:

Was ich gemacht hab, ich bin da zur Welt gekommen. Aber was hat er gemacht?

:

Wer jetzt? ?

:

Ja, dass ich heiße.

:

Ja, wir haben übrigens ne schöne Operationsshow bei Pro7, da könnte ich sie mal vorschlagen.

:

Vielen herzlichen Dank, .

:

Ja, ich wollt einfach ...

:

Beim nächsten Mal im Fußballstadion werde ich Dich verprügeln.

:

Jawoll!

:

Ok.

:

Rüpel!"

Am Montag, dem 24.1.2005 gab es erste Presseveröffentlichungen zu dem vorstehend wiedergegebenen Interview u. a. in der Neuen Presse vom 24.1.2005 unter der Überschrift " Außer Rand und Band" sowie in den Schaumburger Nachrichten, für deren Vertrieb die Klägerin tätig ist, unter der Überschrift " in orange. Bei Wetten, dass ...?: ZVG-Vertriebsexpertin im Clinch mit ". In der Folge beauftragte die Klägerin ihren jetzigen Prozess-bevollmächtigten mit ihrer Vertretung. Dieser wandte sich bereits am 24.1.2005 oder 25.1.2005, noch bevor der Beklagte eine Schmerzensgeldforderung der Klägerin erhalten hatte, an Presseagenturen, u. a. die DPA, und gab bekannt, dass die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 € verlange. Am 25.1.2005 wurde die Forderung der Klägerin veröffentlicht u. a. in der Online-Zeitung "Net-Zeitung.de" unter der Überschrift "Wetten, dass ...?: soll zahlen".

Mit Schreiben vom 25.1.2005 wandte sich die Klägerin über ihren Prozessbevollmäch-tigten mit ihrer Forderung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000,00 € an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Am 26.1.2005 kam es zu einer Veröffentlichung in "Spiegel Online" unter der Überschrift "Schmerzensgeld-forderung. Wirbel um Wetten, dass ...?-Auftritt". Diesem Bericht zufolge ließ der Beklagte über die Produktionsfirma Brainpool u. a. mitteilen: "Ich bedauere es sehr, sollte ich verletzt haben. Meine Äußerungen waren jedoch erkennbar satirisch und nicht ernst gemeint."

Am selben Tage rief der Beklagte die Klägerin an und entschuldigte sich bei ihr. Gegenstand des Telefonats war auch die Schmerzensgeldforderung der Klägerin, wobei der weitere Gesprächsinhalt im Einzelnen streitig ist.

Am 27.1.2005 gab der Beklagte in seiner Live-Sendung " " bei dem Sender Pro7 folgende Erklärung ab:

"Ich war ja bei "Wetten, dass ...?". Mein Auftritt hat ja etwas... Wirbel verursacht, mehr oder weniger. Und... es ist an dieser Stelle auch wirklich mal Zeit, Entschuldigung zu sagen. Deswegen, falls ich jemanden am Samstag mit meinem Auftritt verletzt habe, dann tut mir das wirklich leid..".

Die Klägerin trat im Zusammenhang mit dem Interview am 22.1.2005 in verschiedenen Fernsehsendungen auf - und zwar am 28.1.2005 in der RTL-Sendung "Explosiv" und in der Live-Sendung "Aktuelle Schaubude" auf N 3 sowie am 2.2.2005 im NDR-Medien-magazin "Zapp". In diesen Sendungen äußerte sich die Klägerin zu den streitgegenständlichen Erklärungen des Beklagten und wurden die entsprechenden Passagen des Interview mit ihrer Zustimmung, zum Teil auch in ihrer Gegenwart eingespielt.

Die Klägerin ist der Auffassung, eine Entschädigungszahlung des Beklagten in Höhe von mindestens 35.000,00 € sei im Hinblick auf die streitgegenständlichen Äußerungen und die dadurch verursachten Folgeerscheinungen sowie angesichts der Einkommensverhältnisse des Beklagten angemessen.

Sie behauptet, sie sei nach dem Vorfall überall, auf der Straße, beim Einkaufen, in der Tankstelle und an ihrem Arbeitsplatz, angesprochen worden. Die Presse habe sie regelrecht "belagert" sowohl an ihrem Arbeitsplatz als auch an ihrer Privatadresse. Darüber hinaus habe sie im Hinblick auf ihren Auftritt in der "Wetten, dass...?"-Sendung eine Reihe von E-Mails von fremden Personen erhalten. Sie habe daher erst im Anschluss an die Sendung nach und nach die Bedeutung und Tragweite der streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten erkennen können.

Die Klägerin meint, die von dem Beklagten ausgesprochenen Entschuldigungen seien angesichts der von ihr erlittenen Verletzung nicht ausreichend, da sie lediglich halbherzig und nicht in ernster Absicht erfolgt seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beklagte nicht einmal danach gefragt habe, wie sie sich fühle. Vielmehr habe er bei dem Telefonat am 26.1.2005 erklärt: "Die 25.000,00 € Schmerzensgeld bekommst Du ja doch nicht."

Im Hinblick auf die Belagerung durch die Medien sei die Klägerin gezwungen gewesen, in die Offensive zu gehen und sich ihrerseits der Öffentlichkeit, d. h. der Presse zu stellen, insbesondere um vor den vielen Anfragen der Pressevertreter Ruhe zu finden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.2.2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten ist die Klage in der vorliegenden Form bereits unzu-lässig, weil sie nicht hinreichend bestimmt sei.

Darüber hinaus ist der Beklagte der Ansicht, dass die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch der Klägerin nicht vorliegen. Er meint, es fehle bereits an der dafür erforderlichen schweren Persönlichkeits-rechtsverletzung, da die Parteien im Rahmen des streitgegen-ständlichen Interviews einen Schlagabtausch auf Augenhöhe geführt hätten und die Erklärungen des Beklagten als Spontanäußerungen in einer Live-Sendung gefallen seien. Im Übrigen sei das Anraten einer Schönheitsoperation nicht geeignet, eine Ehrverletzung herbeizuführen, weil die Durchführung von Schönheitsoperationen in der modernen Gesellschaft üblich sei und auch Prominente sich dazu bekennten.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Klägerin, als sie zu ihm auf die Bühne gegangen sei, bewusst gewesen sei, dass der Beklagte schon mal durch "flotte Sprüche" auffalle. Im Übrigen habe die Klägerin durch ihre anzügliche Bemerkung hinsichtlich des Moderators und ihr selbstbewusstes Auftreten sowie ihre schlagfertige Reaktion solche Äußerungen des Beklagten auch provoziert.

Zu berücksichtigen sei ebenfalls, dass sich der Beklagte mehrfach bei der Klägerin entschuldigt habe. Auch habe die Klägerin sich nicht um Ausgleich bemüht, sondern sogleich ihre Zahlungsansprüche geltend gemacht und so zu erkennen gegeben, dass es ihr im Wesentlichen um das Geld gehe. Dies ergebe sich auch daraus, dass sie keine Unterlassungsansprüche geltend gemacht und damit nicht den Versuch unternommen habe, eine nochmalige Verbreitung der Äußerungen des Beklagten verbieten zu lassen, sondern im Gegenteil im Rahmen ihrer Fernsehauftritte die streitgegenständliche Passage wiederholt habe einspielen lassen. Aus diesen Gründen bestehe auf Seiten der Klägerin kein unabwendbares Bedürfnis für eine Entschädigungszahlung. Denn sie habe durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sie sich nicht beeinträchtigt gefühlt habe, sondern dass es ihr nur darum gegangen sei, ihre unmittelbar geltend gemachten Zahlungsforderungen unter Einsatz der Medien effektiv durchzu-setzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der münd-lichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die geltend gemachte Klageforderung hinreichend bestimmt. Bei Schmerzensgeldansprüchen und Ansprüchen auf Geldentschädigung aus Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist ein unbezifferter Klageantrag zulässig. Erforderlich ist lediglich, dass der Kläger die seiner Vorstellung entsprechende Größenordnung angibt. Das hat die Klägerin getan, indem sie in der Klageschrift ausgeführt hat, eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 35.000,00 EUR dürfte als angemessen gewertet werden.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 6.000,00 € aus § 823 BGB i. V. m. Art. 1 und Art. 2 GG zu.

Denn die Äußerungen des Beklagten in dem Live-Interview mit der Klägerin im Rahmen der ZDF-Sendung "Wetten, dass ...?" am 22.1.2005 vor ca. 14,5 Mio. Fernsehzuschauern: "Ich will ja nichts sagen, aber Du siehst echt ganz schön alt aus für Dein Alter." ... "Ja, wir haben übrigens ne schöne Operationsshow bei Pro7, da könnte ich sie mal vorschlagen." stellen unter Würdigung der Gesamtumstände eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar, die nicht anders als durch eine Entschädigung in Geld ausgeglichen werden kann.

1. Nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des Bundesgerichtshofes kommt die Erweiterung des deliktischen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Zubilligung einer Geldentschädigung nur ganz ausnahmsweise als zusätzlicher Rechts-behelf in Betracht, wenn der Rechtsschutz für die Persönlichkeit sich als unzureichend erweist oder ganz versagt. Eine Geldentschädigung für Übergriffe auf die Person soll lediglich den Rechtsschutz dort ergänzen, wo der Eingriff von der Art ist, dass die eigentlichen Rechtsbehelfe wie Gegendarstellung, Widerruf und Unterlassung die Verletzungsfolgen nicht aufzufangen vermögen (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 35, 303). Dieser Subsidiarität auf Rechtsfolgenseite entspricht auf der Tatbestandsseite das Erfordernis einer schweren Beeinträchtigung der Persönlichkeit (BGH NJW 1979, 1041 [Ex-Direktor]; NJW 1985, 1645 [Nacktfoto]; BGHZ 132, 13 [Lohnkiller]). Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, welche die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, d.h. auch von dem Ausmaß der Verbreitung einer Veröffentlichung, der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten sowie dem Anlass und Beweggrund des Handelnden und von dem Grad seines Verschuldens ab (BGHZ 132, 13, 27 [Lohnkiller]; BGHZ 128, 1, 14 [Caroline von Monaco I]; BGH NJW-RR 1988, 733 [Intimbericht]; BGH NJW 1985, 1617, 1619 [Nacktfoto]). Dabei ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen widerrechtlichen Eingriff besteht als auch, und zwar in erster Linie, ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe (BGH NJW 1985, 1617, 1619 [Nacktfoto] m. w. N.).

Im Lichte dieser Rechtsprechungsgrundsätze liegt aus Sicht der Kammer eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor. Denn der Beklagte hat die Klägerin aus seiner überlegenen Position als Moderator heraus grundlos und bewusst mit herabsetzenden Bemerkungen über ihre äußere Erscheinung überzogen allein zu dem Zweck, sich auf ihre Kosten vor einem Millionen-Publikum zu profilieren. Er hat die Klägerin mit seinen Äußerungen in der Öffentlichkeit bloßgestellt und als Objekt der Unterhaltung "vorgeführt", indem er sie überraschend einem Angriff aussetzte, auf den sie nur schwer angemessen reagieren konnte. Dabei konnte ihm der verletzende Charakter seines Verhaltens nicht entgangen sein.

Die gegen die Annahme einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung gerichteten Einwände des Beklagten sind unbegründet:

a) Unabhängig von der vom Beklagten behaupteten Üblichkeit von Schönheits-operationen in der modernen Gesellschaft ist der unerbetene Rat, sich einem solchen Eingriff zu unterziehen, deshalb ehrkränkend, weil er im Kern die Aussage enthält, dass der Betroffene seine äußere Erscheinung verbessern lassen müsse.

b) Unerheblich ist auch der Umstand, dass sich die Klägerin freiwillig vom Beklagten hat interviewen lassen. Denn in Anbetracht des Charakters der Sendung "Wetten, dass ...?" musste sie nicht mit herabsetzenden Äußerungen rechnen, sondern konnte davon ausgehen, dass der Beklagte sein Verhalten dieser Sendung anpassen werde. Der Vortrag, dass der Beklagte durch "flotte Sprüche" auffalle, ist auch deshalb unbeachtlich, weil dies für ihn keinen größeren Freiraum für seine Äußerungen zu begründen vermag, als er jedem anderen auch zusteht.

c) Dass die Klägerin die streitgegenständlichen Bemerkungen des Beklagten provoziert hat, ist nicht ersichtlich. Denn diese stehen in keinem Zusammenhang mit der Äußerung der Klägerin im Hinblick auf die Namensgleichheit mit dem Moderator .

d) Auch der Umstand, dass es sich um Spontanäußerungen des Beklagten in einer Live-Sendung handelt, steht der Annahme einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung, insbesondere des dafür erforderlichen Verschuldensgrades nicht entgegen. Zum einen ist der Beklagte als Fernsehmoderator im Umgang mit Live-Sendungen geübt, so dass davon auszugehen ist, dass er in der Lage ist, sein Verhalten dabei zu kontrollieren. Zum anderen ist nicht zu erkennen, dass ihm seine erste Bemerkung über das Aussehen der Klägerin im Vergleich zu ihrem Alter versehentlich unterlaufen ist. Denn er hat sie mit seiner weiteren Äußerung über die Schönheitsoperations-Show bekräftigt, obwohl zwischenzeitlich das Thema gewechselt hatte hin zur Namensgleichheit der Klägerin mit dem Moderator .

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit der Klägerin. Insoweit ist der Anspruch auf Unterlassung – der vorliegend allein in Betracht käme – nicht ausreichend, zumal er nicht zu einer Wiedergutmachung führt.

Eine nachträgliche Entschuldigung für unzulässige Äußerungen in einer Fernsehsendung ist - unabhängig davon, ob sie ernsthaft erklärt wird, - generell nicht geeignet, einen Geldentschädigungsanspruch insgesamt entfallen zu lassen. Denn durch eine solche Entschuldigung kann das, was bei den Zuschauern über den Betroffenen haften geblieben ist, nicht beseitigt werden. Außerdem wird mit einer Entschuldigung niemals genau der Kreis der Personen erreicht, der die verletzende Äußerung gehört hat.

3. Schließlich liegt auch ein unabwendbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung auf Seiten der Klägerin vor. Der von ihr geltend gemachte Anspruch ist nicht deshalb ausge-schlossen, weil die Klägerin zu erkennen gegeben hat, dass sie sich nicht beeinträchtigt gefühlt hat. Das ist nämlich nicht der Fall.

a) Es folgt nicht schon aus der fehlenden Durchsetzung etwaiger Unterlassungsansprüche. Denn die Klägerin musste – auch angesichts der Entschuldigungen des Beklagten - nicht davon ausgehen, dass dieser seine Bemerkungen über sie wiederholen werde.

b) Auch die Reaktionen der Klägerin am Ende des Interviews mit dem Beklagten rechtfertigen nicht den Schluss, dass sie sich nicht verletzt gefühlt hat. Zwar hat die Klägerin abschließend gesagt: "Vielen Dank", hat gelacht und ins Publikum gewinkt. Es ist aber davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Verletztheit vor einem Millionenpublikum nicht zeigen wollte und dass ihr in Anbetracht der für sie ungewöhn-lichen Situation eines Live-Auftritts die Bedeutung des Verhaltens des Beklagten erst anschließend nach und nach bewusst wurde. Für ein Beeinträchtigungsgefühl der Klägerin spricht im Übrigen, dass sie dem Beklagten nach seiner Äußerung hinsichtlich der Operations-Show androhte, ihn zu verprügeln und dass sie ihre Entschädigungsforderung nicht erst nach längerer Zeit, sondern bereits kurz nach der Sendung erhoben hat.

c) Auch der anschließende publizistische Umgang der Klägerin mit dem Interview, bei dem sie die Einspielung der sie verletzenden Äußerungen des Beklagten in 3 verschiedenen Fernsehsendungen legitimiert hat, ist nicht geeignet, einen Geldentschädigungsanspruch insgesamt entfallen zu lassen. Zwar war diese "Flucht nach vorn" nicht erforderlich, um die von der Klägerin beschriebene "Belagerung" durch die Presse zu beenden. Sie spricht auch nicht dafür, dass die Klägerin wünschte, dass die sie beeinträchtigenden Bemerkungen des Beklagten so schnell wie möglich vergessen würden. Entscheidend ist jedoch, dass das Verhalten der Klägerin einem nachvollziehbarem Interesse daran entspricht, sich auf diese Weise nachträglich gegen den Beklagten zur Wehr zu setzen und der Öffentlichkeit zu zeigen, welche Gefühle seine Äußerungen bei ihr ausgelöst, d.h. wie sehr sie sie verletzt haben.

4. Für die erlittene schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin ist eine Geldentschädigung in Höhe von 6.000,00 € ausreichend und angemessen.

Die Geldentschädigung soll dem Verletzten einerseits einen angemessenen Ausgleich für den erlittenen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht und andererseits Genugtuung verschaffen. Auf die Einkommensverhältnisse des Beklagten kommt es bei ihrer Bemessung nicht an. Denn diese wären nur unter dem vorliegend unerheblichen weiteren Aspekt der Prävention in dem - hier nicht gegebenen - Fall vorsätzlicher rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit von Bedeutung.

Bei der Bemessung der Geldentschädigung sind zunächst die (oben beschriebenen) Umstände zu berücksichtigen, die die Annahme einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung begründen, im vorliegenden Fall insbesondere der Umstand, dass diese vor einem Millionenpublikum erfolgte. Andererseits spielt auch eine Rolle, dass nicht die Intim- oder die Privatsphäre der Klägerin betroffen gewesen ist, sondern (lediglich) ihre äußere Erscheinung, über die sich jeder Zuschauer ein eigenes Bild machen konnte. Hinzu kommt, dass die Klägerin durch ihr selbstbewusstes und forsches Auftreten bei dem Beklagten durchaus den Eindruck erweckt haben konnte, sie sei nicht empfindlich, sondern robust und nicht so leicht zu verletzen. Sie ist in dem streitgegenständlichen Interview nämlich durchaus "kess" aufgetreten, vor allem mit ihrer Äußerung über den Moderator

"Was hat er gemacht, dass ich heiße". Ebenso zu berücksichtigen sind die mehrfachen Entschuldigungen des Beklagten. Denn unstreitig hat sich der Beklagte, unabhängig von dem weiteren Gesprächsinhalt, bei der Klägerin telefonisch am 26.1.2005 entschuldigt. Ebenso erfolgte ein Ausdruck des Bedauerns über seine Produktionsfirma und in seiner Live-Sendung " ," in der er allerdings den Namen der Klägerin nicht genannt hat und sich aus der von ihm gewählten Formulierung ergibt, das der Beklagte nicht davon ausging, dass seine Bemerkungen objektiv verletzenden Charakter hatten.

Zu Lasten der Klägerin hat bei der Bemessung der Geldentschädigung ihr oben beschriebenes späteres Verhalten gewirkt. Denn sie hat mit ihren Auftritten in den Fernsehsendungen dazu beigetragen, dass die streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten in der Öffentlichkeit präsent geblieben und möglicherweise weiter verbreitet worden sind, indem auch Personen davon Kenntnis erlangt haben können, die die "Wetten, dass..."-Sendung am 22.1.2005 nicht gesehen hatten. Zugleich hat sie damit und indem sie sich mit einer weit überhöhten Forderung sogleich an die Presse wandte ein Klima geschaffen, in dem sie die von ihr gewünschte, ihren Interessen entsprechende ernsthafte Entschuldigung des Beklagten und eine gütliche Einigung der Parteien kaum noch erwarten konnte.

Die Zinsentscheidung beruht auf den §§ 288, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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