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Autofahrt in die Weser: kein Schadensersatz vom Landkreis

Landgericht Hannover

Geschäfts-Nr.:

11 O 107/08

Verkündet am:

03.12.2008

###

als Urkundsbeamtin/beamter der Geschäftsstelle

Urteil

Im Namen des Volkes!

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 12.11.2008 durch den Richter am Landgericht ### als Einzelrichter

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der vollstreckbaren Forderung abzuwenden, falls nicht zuvor durch die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 120 % der jeweils zu vollstreckenden Forderung geleistet wird.

Tatbestand

Der Kläger macht in diesem Rechtsstreit Schadensersatz wegen der Verletzung von Straßenverkehrssicherungspflichten durch den beklagten Landkreis geltend.

Der Kläger war Eigentümer und Halter eines PKW Fiat Sicento, amtliches Kennzeichen ###. Am Abend des 08.12.2007 fuhr die Tochter des Klägers, ###, mit diesem Fahrzeug auf der Landstraße L433 aus Rumbeck kommend in Richtung Großenwieden. Bei dem Hinweisschild "Großenwieden 1 km" bog sie rechts auf die Kreisstraße K83 ab und folgte deren Verlauf bis zur Fähranlegestelle Rumbeck-Großenwieden. Im Bereich dieser Anlegestelle geriet ### mit dem PKW in die Weser, die zu diesem Zeitpunkt Hochwasser führte. Der Pegelstand betrug 5,09 m; das Wasser war etwa 15 – 20 m über die Ufer getreten.

### konnte sich aus dem Wagen befreien und ans Ufer schwimmen. Das Fahrzeug erlitt jedoch einen Totalschaden.

Bereits vor der Abzweigung der K83 befindet sich neben der L433 ein Vorwegweiser (VZ 438) mit dem Zusatz "Weserfähre". An der Einmündung der K83 befindet sich ein Wegweiser (VZ 437) mit der Aufschrift "Großenwieden 1 km, Weserfähre 18 t". Dem Wegweiser folgt das Verkehrsschild 262 mit dem Hinweis auf das zulässige Fahrzeug-höchstgewicht bei Benutzung der Weserfähre (18 t). Dieser Hinweis wird in einem Abstand von 800 m Richtung Weser wiederholt. Nach einer Rechtskurve zur Fähranlege-stelle hin befindet sich das Warnzeichen VZ 129. Unmittelbar an der Fähranlagestelle befindet sich das Verkehrszeichen 101 (allgemeine Gefahrstelle) mit dem Zusatz "Halt! Fahrer aussteigen. Auffahrt nur auf Zeichen des Fährmannes". Zum Zeitpunkt des Unfalles war der Fährbetrieb eingestellt. Auf der Zufahrt war daher das Verkehrszeichen 250 mit dem Zusatz "Fährbetrieb eingestellt" aufgestellt. Dieses Schild befand sich auch gegen 13.00 Uhr an dem Unfalltage noch im Bereich der Zufahrt. Später ist dieses Schild dann von unbefugten Personen – vermutlich um ein Boot oder Boote in das Wasser zu setzen – entfernt und in einem Winkel von 90°Grad an den rechten Rand gestellt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten der Örtlichkeiten wird auf die Lichtbilder, Blatt 5/6 d.A., und die Skizzen, Blatt 38 ff., verwiesen.

Nachdem die Klage ursprünglich gegen das Land Niedersachsen erhoben worden war , ist sie mit Schriftsatz vom 07.05.2008 gegen den ### umgestellt worden.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Fährübergang nur unzureichend gegen die insbesondere durch das Hochwasser der Weser entstandenen Gefahren gesichert gewesen sei. Das Wasser habe sich etwa höhengleich mit dem Niveau der K83 befunden. Wegen der Dunkelheit und der regennassen Fahrbahn habe die Tochter dies nicht erkannt. Sie habe zum ersten Mal diese Nebenstrecke genutzt und sei ortsun-kundig gewesen. Auch vom Hochwasser der Weser habe sie nichts gewusst. Sie habe sich auf die auf der anderen Seite der Weser liegenden beleuchteten Häuser der Gemeinde Großenwieden konzentriert und sei deshalb ungebremst in die Weser gefahren. Durch die Straßenbeschilderung sei der beklagte Landkreis seiner Straßen-verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen. Dies gelte auch für das im Bereich der Fähranlegestelle aufgestellte Verkehrszeichen 250, weil es ohne größere Schwierigkeiten von unbefugten Personen habe entfernt werden können, wie es dann auch geschehen sei. Notwendig und zumutbar sei die Anbringung weiterer Sicherungs-maßnahmen, wie das Aufstellen einer Ampel oder einer automatischen oder zumindest manuell zu betätigenden Sperre, gewesen. Die Notwendigkeit derartiger Sicherungsmaß-nahmen ergebe sich auch daraus, dass es in der Vergangenheit und auch dann nach Dezember 2007 vergleichbare Unfälle gegeben habe.

Der Kläger ist deshalb der Auffassung, dass er zumindest 50 % seines Schadens in Höhe von insgesamt 2.266,10 € verlangen könne.

Der Kläger beantragt,

den beklagten Landkreis zur Zahlung von 1.133,05 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.02.2008 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass ihm eine Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht nicht anzulasten sei. Die Beschilderung sei ausreichend gewesen. Schon hieraus habe jeder sorgfältige Verkehrsteilnehmer die Existenz der Fähranlegestelle erkennen müssen. Die Anlegestelle selbst sei ausreichend durch das Verkehrszeichen 250 gesichert gewesen. Allein die Möglichkeit, dass unbefugte Personen dieses Schild entfernten, führe nicht zur Notwendigkeit weiterer Sicherungsmaßnahmen, da diese mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden seien. Der Unfall sei deshalb allein auf mangelnde Sorgfalt der Fahrerin zurückzuführen, zumal davon ausgegangen werden müsse, dass diese ortskundig gewesen sei. Ohne Erfolg mache der Kläger auch geltend, dass es ähnliche Unfälle gegeben habe.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Denn der Kläger ist nicht berechtigt, Schadensersatzansprüche gem. § 839 BGB i.V.m. Artikel 34 GG gegen den beklagten Landkreis geltend zu machen. Dieser hat im vorliegenden Fall nicht gegen seine Verpflichtung als Straßenverkehrsbehörde verstoßen, durch eine ausreichende Verkehrsregelung und Beschilderung im Sinne der §§ 39 ff. StVO für eine sichere Nutzung der Kreisstraße 83 bzw. der Fähranlegestelle zu sorgen. Seitens des Beklagten ist unwidersprochen im Einzelnen dazu vorgetragen worden, in welcher Weise die Straßennutzer bereits auf der L433 und dann nach der Abzweigung auf die K83 auf die Fähranlegestelle hingewiesen worden sind. Es folgt dann das Gefahrzeichen 129 (Ufer) und das Gefahrzeichen 101 (allgemeine Gefahrstelle). Durch diese Beschilderung musste jedem Verkehrsteilnehmer klar sein, dass besondere Aufmerksamkeit geboten war und die Fahrweise und insbesondere die Geschwindigkeit hierauf einzustellen war. Seitens des Klägers ist auch nicht nach-vollziehbar dargelegt worden, wieso sich seiner Tochter als Fahrerin des Autos diese Erkenntnismöglichkeiten verschlossen haben sollen. Gerade wenn sie ortsunkundig war, noch wenig Fahrpraxis hatte und die Sichtmöglichkeiten eingeschränkt waren, musste sie besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt walten lassen. Sie durfte ihr Augen-merk nicht nur auf das gegenüberliegende Ufer richten und "ungebremst" in die Weser fahren. Dies gilt umso mehr, als sich aus den zur Akte gereichten Lichtbildern ergibt, dass das Hochwasser zwar einen Teil der Zuwegung überspült hatte, aber keinesfalls das Niveau der Kreisstraße erreichte hatte.

Darüber hinaus hatte der Beklagte den durch das Hochwasser und die Einstellung des Fährbetriebes entstandenen Gefahren auch dadurch Rechnung getragen, dass die Nutzung der Anlegestelle durch das Verbotszeichen 250 gesperrt war. Zwar war dieses Schild unstreitig zum Unfallzeitpunkt vermutlich durch unbefugte Personen entfernt und an den Rand gestellt worden. Dies kann jedoch dem Beklagten nicht angelastet werden. Denn das Verbotszeichen 250 war naturgemäß nur vorübergehend aufgestellt, bis der Fährbe-trieb wieder in Gang gesetzt war. Eine feste und stationäre Anbringung des Schildes kam deshalb nicht in Betracht bzw. hätte die Grenze der Zumutbarkeit für den Beklagten überschritten. Im Rahmen einer polizeilichen Überprüfung wurde auch festgestellt, dass das Schild zumindest bis 13.00 Uhr an dem Unfalltage noch vorhanden gewesen ist. Von daher kann dem Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, in unzureichendem Maße Kontrollen vorgenommen zu haben. Auch für die An-bringung zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen wie etwa einer Ampel oder einer – auto-matischen oder manuellen – Schranke bestand deshalb kein Anlass. Vielmehr durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass jeder Verkehrsteilnehmer bei seiner Fahrweise die allgemeinen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und insbesondere auch die zusätzlich gegebenen Gefahrenhinweise in ausreichendem Maße zur Kenntnis nehmen und seine Fahrweise darauf einstellen würde. Hierauf gehört insbesondere auch das in § 3 StVO normierte sogenannte "Fahren auf Sicht". Jeder Verkehrsteilnehmer darf nur so schnell fahren, dass er jederzeit innerhalb der überschaubaren Strecke das Fahrzeug zum Stand bringen kann. Dieser Verpflichtung ist die Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges ganz offensichtlich nicht nachgekommen. Wenn der Beklagte nunmehr durch eine gesonderte Beschilderung die zulässige Höchstgeschwindigkeit ausdrücklich geregelt haben sollte, hat sich damit an der bereits zuvor bestehenden Rechtslage im Ergebnis nichts geändert.

Auch soweit der Kläger auf andere Unfälle verweist , ist das Vorbringen zu dem angeblichen früheren Ereignis völlig vage und pauschal , so dass sich schon deshalb nichts zu seinen Gunsten herleiten lässt. Das Unfallgeschehen vom 14.04.2008 lässt sich allein wegen der Alkoholbeeinflussung des Fahrers nicht vergleichen.

Aus den obigen Ausführungen folgt, dass der Unfall in entscheidender Weise auf die Unaufmerksamkeit der Fahrerin und deren Fahrweise zurückzuführen ist. Dieser Verschuldens- und Verursachungsbeitrag ist auch dem Kläger als Eigentümer und Halter des PKW’s anzurechnen, so dass selbst dann, wenn man eine – leichte – Ver-letzung von Straßenverkehrssicherungspflichten annehmen wollte, diese im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- und Verursachungsbeiträge gem. § 254 BGB zurückzutreten hätte, und zwar entgegen der Auffassung des Klägers nicht nur zu 50 %, sondern im vollen Umfange.

Die Klage war daher mit den Nebenentscheidungen aus den §§ 91, 269 III , 708 Ziffer 11, 711 ZPO abzuweisen.

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