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Ausstellung der Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs: Anforderungen an die Eignung der geeigneten Person gemäß § 4 Nds. AGInsO

Landgericht Hannover

Geschäfts-Nr.:

11 T 28/14

903 IK 198/14 Amtsgericht Hannover

Hannover, 17.10.2014

Beschluss

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren

über das Vermögen der

Frau -pp.-, 30629 Hannover,

Antragstellerin und Beschwerdeführerin

Verfahrensbevollmächtigter: -pp.-, 30177 Hannover,

hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover am 17.10.2014 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ###, den Richter am Landgericht ### und die Richterin ## beschlossen:

Die Sache wird auf die Kammer übertragen.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 26.05.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover - Insolvenzgericht - vom 09.05.2014 in Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.06.2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 600,00 Euro.

Gründe:

I.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen den Beschluss des Insolvenzgerichtes vom 09.05.2014, mit dem der Antrag der Antragstellerin vom 05.02.2014 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig zurückgewiesen worden ist.

Diesem Beschluss vorangegangen war zunächst ein Schreiben des Amtsgerichts Hannover - Insolvenzgericht - vom 18.02.2014 (Bl. 29f. d.A.), in dem die Antragstellerin darauf hingewiesen worden war, dass ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch nicht durchgeführt worden sei. Dies wurde damit begründet, dass die Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO vom 04.02.2014 (Bl. 6 d.A.) durch den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, der -pp.-, ist, als bescheinigende 2

Person unterzeichnet worden war, es jedoch an Angaben fehlte, woraus sich dessen Qualifikation hierfür ergab.

Der Verfahrensbevollmächtigte verwies mit Schreiben vom 06.03.2014 (Bl. 34 d.A.) darauf, dass sich seine Qualifikation aus § 5 RDG ergebe. Dieser Ansicht folgte das Insolvenzgericht nicht und teilte dies dem Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 10.03.2014 (Bl. 35 d.A.) mit. Dabei nahm es zunächst Bezug auf die §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2 Nds. AGInsO. Des Weiteren bezog es sich auf die die davon unabhängige Frage der Rechtsdienstleistungen nach § 5 RDG.

Eine Bescheinigung, ausgestellt durch eine andere Stelle oder Person, wurde in der Folgezeit nicht eingereicht. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin vertrat und vertritt weiterhin die Ansicht, dass er zur Ausstellung der Bescheinigung berechtigt sei.

Durch Beschluss vom 09.05.2014 (Bl. 58 d.A.) wurde der Antrag der Antragstellerin vom 05.02.2014 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 26.05.2014.

Auf einen Hinweis der Kammer vom 21.08.2014, in dem auf die Problematik der Zuverlässigkeit des Verfahrensbevollmächtigten nach § 4 Nds. AGInsO eingegangen und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde, erfolgte keine Reaktion seitens der Antragstellerin.

II.

A.

Gemäß § 568 ZPO war die Sache auf die Kammer zu übertragen.

B.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, vor allem innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist eingereicht. Sie ist im Übrigen auch statthaft. Grundsätzlich ist zwar die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichtes nur dann statthaft, wenn dies ausdrücklich in der Insolvenzordnung normiert ist, § 6 Abs. 1 S. 1 InsO. § 34 Abs. 1 InsO sieht jedoch die sofortige Beschwerde als Rechtsmittel vor, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig zurückgewiesen wurde (vgl. Vallender, in: Uhlenbrock, Insolvenzordnung, 13. Auflage 2010, § 13, Rn. 58), und gilt aufgrund der Verweisung in § 304 Abs. 1 S. 1 InsO auch im Verbraucherinsolvenzverfahren.

C.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Zwar hat das Amtsgericht Hannover - Insolvenzgericht - bei seiner Entscheidung übersehen, dass die Eignung zur Ausstellung einer Bescheinigung nach § 305 Abs. 1 InsO nicht lediglich nach § 2 Nds. AGInsO, sondern auch nach § 4 Nds. AGInsO zu prüfen ist (vgl. Hinweis vom 21.08.2014, Bl. 78 d.A.). Denn auch andere als die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 Nds. AGInsO genannten Personen können als geeignet angesehen 3

werden, wenn ihnen nicht die hierfür erforderliche Zuverlässigkeit und Sachkunde fehlt. Neben den kraft Gesetzes als geeignet geltenden Stellen und Personen nach §§ 1, 2 Nds. AGInsO können Stellen gemäß § 3 Nds. AGInsO als geeignet anerkannt werden. Daneben ist es dem Insolvenzgericht im Rahmen des Verfahrens nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung überlassen, die Eignung von Personen und Personengesellschaften festzustellen, § 4 Nds. AGInsO (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 19.04.2010, Az. 13 A 462/09). Im vorliegenden Fall fehlte es an einer Auseinandersetzung des Amtsgerichtes mit dieser Norm.

2. Ungeachtet dieser Fragestellung kommt das Beschwerdegericht nach Prüfung der Voraussetzungen des § 4 Nds. AGInsO nicht zu einem von der Entscheidung des Amtsgerichts abweichenden Ergebnis, da der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin als -pp.-, keine geeignete Person oder Stelle i.S.d. Nds. AGInsO und somit auch nicht i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO darstellt. Unstreitig ist der Verfahrensbevollmächtigte keine Person i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Nds. AGInsO, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Nds. AGInsO als geeignet gilt. Die Eignung kann auch im Übrigen nicht festgestellt werden, da ihm die hierfür erforderliche persönliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 4 Nds. AGInsO fehlt.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die Voraussetzungen für die Anerkennung als geeignete Stelle oder Person i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind nicht unmittelbar in der Insolvenzordnung selbst geregelt, vielmehr können die Länder gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1, letzter Halbsatz selbst bestimmen, welche Personen oder Stellen als geeignet anzusehen sind. Die entsprechenden Regelungen zu den formellen und materiellen Anerkennungsvoraussetzungen ergeben sich aus den Normen des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (Nds. AGInsO), vorliegend konkret aus § 4 Nds. AGInso.

Die Voraussetzung der Feststellung der Eignung von Personen durch das Insolvenzgericht nach § 4 Nds. AGInsO soll sicherstellen, dass unzuverlässige Bewerber unter dem präventiven Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr für das Gemeinwohl von der Beratung in Privatinsolvenzverfahren ausgeschlossen werden.

Zunächst ist hierbei der Unzuverlässigkeitsmaßstab des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Nds. AGInsO heranzuziehen (vgl. Niedersächsischer Landtag, Drucksache 14/255, zu § 4 Nds. AGInsO).

Daneben ist derjenige als unzuverlässig einzustufen, der bei prognostischer Betrachtung auf Grund einer Würdigung seiner gesamten Persönlichkeit, seines Gesamtverhaltens und seiner Lebensumstände unter Berücksichtigung der Eigenart des Berufs keine Gewähr dafür leisten kann, dass er in Zukunft seinen beruflichen Pflichten in zuverlässiger Art und Weise nachkommen wird (vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.05.2009, Az. 13 A 2569/06).

a) Es muss sichergestellt sein, dass eine in der Insolvenzberatung tätige Person gewissenhaft für die Schuldner tätig wird und dabei die ihr obliegenden Berufspflichten beachtet. Bei der Bewertung ist ein strenger Maßstab anzulegen, da ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Schuldnern, die auf Grund ihrer finanziellen Notlage mit besonderer Umsicht und Sorgfalt zu beraten sind, besteht (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23.09.2009, Az. 7 K 2302/07). Folglich ist die Einschätzung, ob die 4

entsprechende persönliche Zuverlässigkeit vorliegt, auch davon abhängig, dass die Person nicht bereits im Vorfeld ihrer Beratung gegen ihr obliegende Normen oder Regeln verstößt und vor allem keine rechtsberatende Tätigkeit ausübt (vgl. Henning, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Auflage 2014, § 305 Rn. 52). Dies lässt sich damit begründen, dass derjenige, der unter Verstoß gegen geltendes Recht Schuldner berät, ohne dass seine Eignung nach § 4 Nds. AGInsO festgestellt worden ist, keine Sicherheit dafür bieten kann, dass ein Gleichgewicht zwischen seinen (wirtschaftlichen) Interessen einerseits und den Belangen des Schuldners andererseits gefunden wird.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat mehrfach gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen. Dies ergibt sich aus dem von ihm in diesem Verfahren eingereichten Unterlagen, gemäß derer er außergerichtliche Schuldenbereinigung betrieben hat. Er hat geschäftsmäßig Rechtsdienstleistungen angeboten und erbracht, ohne dass er die hierfür erforderliche Erlaubnis gemäß § 10 RDG besitzt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird von der erlaubnispflichtigen Rechtsberatung insbesondere auch die Regulierung fremder Schulden erfasst (vgl. zum Rechtsberatungsgesetz: BGH, Urteil vom 24.06.1987, Az. I ZR 74/85; OLG Celle, Beschluss vom 19.03.2003, Az. 222 Ss 24/03). Diese Tätigkeit ist naturgemäß auf die Gestaltung und Veränderung fremder Rechtsverhältnisse ausgerichtet. Die vorgenommene Schuldnerberatung stellt folglich, worauf das Amtsgericht zutreffend verwiesen hat, eine Rechtsdienstleistung dar (so auch: Henning, in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Auflage 2014, § 305 Rn. 34). Entgegen der Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist auch nicht von einer Nebenleistung i.S.d. § 5 RDG auszugehen. Ob eine Nebenleistung vorliegt, bemisst sich nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2011, Az. I ZR 54/10). Es ist davon auszugehen, dass die hier vorgenommene Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamtleistung aufweist, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung gesprochen werden kann. Der Schwerpunkt der Schuldnerberatung liegt in der rechtlichen Bewertung und Bewältigung der Überschuldungssituation und kann somit keine Nebenleistung darstellen (vgl. Vallender, in: Uhlenbrock, Insolvenzordnung, 13. Auflage 2010, § 305, Rn. 50).

b) Daneben ist der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin gemäß eingereichter Unterlagen in zahlreichen Insolvenzverfahren vor verschiedenen Amtsgerichten als Verfahrensbevollmächtigter aufgetreten, obwohl er nicht die hierfür erforderliche Befähigung aufweist. Da er nicht als geeignete Person i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen ist, konnte er in die Schuldner in diesen Verfahren auch nicht gemäß § 305 Abs. 4 InsO vertreten.

c) Zuletzt ist hervorzuheben, dass der Verfahrensbevollmächtigte bei den eingereichten Unterlagen, die Verfahren anderer von ihm beratener und vertretener Schuldner betreffen, keinerlei Anonymisierung vorgenommen hat. Integrität und Zuverlässigkeit des einzelnen Berufsangehörigen der Anwaltschaft sowie das Recht und die Pflicht zur Verschwiegenheit sind die Grundbedingungen dafür, dass nicht nur dem einzelnen Anwalt, sondern der gesamten Berufsgruppe dasjenige Vertrauen entgegengebracht wird, das Voraussetzung ist, um fremde Interessen als berufener und unabhängiger Berater und Beistand erfolgreich vertreten zu können (vgl. AnwG Köln, Beschluss vom 20. 5. 2009, Az. 10 EV 330/07). Der gleiche Maßstab ist auch bei demjenigen, der im 5

Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens die Interessen der Schuldner wahrnimmt, anzulegen. Auf Grund des Verstoßes gegen das Gebot der Verschwiegenheitspflicht ergeben sich weitere Zweifel an der Zuverlässigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin.

d) Insgesamt lassen die Verhaltensweisen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin den Schluss zu, dass er in zahlreichen Fällen gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen hat. Deswegen fehlt ihm die Zuverlässigkeit, die § 4 Nds. AGInsO als Voraussetzung für die Feststellung als geeignete Person für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorgibt.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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