Rückzahlung einer vom Mandanten freiwillig und ohne Vorbehalt gezahlten Leistung
20 O 65/10
Urteil
In dem Rechtsstreit
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05. Dezember 2009.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wandte sich im Frühjahr des Jahres 2005 an den Beklagten mit der Bitte, ihn und seine Familie - Ehefrau und Tochter - in einer ausländerrechtlichen Angelegenheit zu vertreten und insbesondere eine gesetzliche Erlaubnis zum ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik für die Familie zu erwirken. Aus diesem Anlass unterzeichnete der Kläger am 10. Mai 2005 eine von dem Beklagten gefertigte Honorarvereinbarung über 10.000,00 €, die er sogleich beglich.
Der Beklagte wurde in der Folgezeit für den Kläger und seine Familie tätig.
Mit Schreiben vom 04. August 2009 kündigte der Kläger das Mandat und forderte den Beklagten mit Schreiben vom 27. November 2009 zur Rückerstattung des aufgrund der Honorarvereinbarung gezahlten Betrages bis 04. Dezember 2009 auf.
Die Parteien streiten u.a. über die Frage der Wirksamkeit der Honorarvereinbarung und den Umfang der von dem Beklagten zu Gunsten des Klägers und seiner Familie übernommenen Angelegenheiten.
Der Kläger ist der Ansicht, die Honorarvereinbarung vom 10. Mai 2005 sei unwirksam, so dass der Beklagte lediglich die gesetzlichen Gebühren verlangen könne.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.000,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05. Dezember 2009.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Honorarvereinbarung vom 10. Mai 2005 sei wirksam und beruft sich auf Verjährung.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann von dem Beklagten gemäß § 812, § 675 BGB Rückzahlung des von dem Kläger aufgrund der Honorarvereinbarung vom 10. Mai 2005 gezahlten Betrages in Höhe von 10.000,00 € verlangen.
1. Die Honorarvereinbarung vom 10. Mai 2005 ist nach der damals geltenden Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 2 RVG unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist das Schriftstück, soweit es nicht vom Auftraggeber verfasst ist, als Vergütungsvereinbarung zu bezeichnen und von anderen Vereinbarungen deutlich abzusetzen. Zwar trägt die Abrede vom 10. Mai 2005 die ausreichend deutliche Überschrift "Honorarvereinbarung", andererseits sind in ihr auch Vereinbarungen enthalten, die nicht als Nebenabreden zum vereinbarten Honorar anzusehen sind. Insbesondere enthält die Honorarvereinbarung detaillierte Verhaltensanweisungen an den Kläger und seine Familie sowie die Aufforderung, bestimmte Unterlagen im Original vorzulegen. Diese sind zwar durch eigene Gliederungsziffern gekennzeichnet, deutlich abgesetzt ist die Vergütungsvereinbarung davon aber nicht. Vereinbarungen über die "Zahlweise" finden sich erst unter Nummer 4 der Honorarvereinbarung und gehen optisch in dem weitgehend fließend gestalteten Text unter. Unklar bleibt zwar, ob das vereinbarte Honorar tatsächlich oberhalb der gesetzlichen Gebühren liegt, was angesichts der Vielzahl der vom Beklagten - allerdings nur pauschal - vorgetragenen Einzelangelegenheiten nicht zwingend ist. Greifbare Anhaltspunkte für das Gegenteil gibt es aber nicht. Außerdem ist auch eine Honorarvereinbarung unterhalb der gesetzlichen Gebühren nicht wirksam (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 4 RVG Rn. 4).
2. Allerdings hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rückzahlung einer vom Auftraggeber freiwillig und ohne Vorbehalt gezahlten Leistung nicht mit der Begründung verlangt werden könne, seine Erklärungen hätten nicht der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 oder 2 RVG a. F. entsprochen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F.). Eine solche Heilung des Formmangels erfordert, dass der Auftraggeber mehr zahlen wollte als er nach dem Gesetz ohne die Vereinbarung zu zahlen hätte. Er muss mithin wissen, dass seine Zahlung die gesetzliche Vergütung übersteigt. Dagegen braucht ihm nicht bekannt zu sein, dass der Rechtsanwalt auf die höhere Vergütung keinen klagbaren Anspruch hat. Vorbehaltslos ist geleistet, wenn der Auftraggeber keinen Zweifel an der Berechtigung der Forderung des Rechtsanwaltes äußert; freiwillig ist die Leistung, wenn der Auftraggeber weiß, dass seine Zahlungen die gesetzliche Vergütung übersteigen (Madert, a.a.O., Rn. 24). Welche Anforderungen an die "freiwillige vorbehaltslose Leistung" zu stellen sind, richtet sich nach jedem Einzelfall. Vorliegend enthält die Honorarvereinbarung zwar den Hinweis darauf, dass der Mandant, also der Kläger, davon unterrichtet worden sei, dass er auf das Honorar, das die gesetzlichen Gebühren eventuell übersteige, keinen Rückzahlungsanspruch habe. Hierüber ist der Kläger auch nochmals durch eine ihm zugleich überreichte Übersetzung der Vereinbarung in die russische Sprache informiert worden. Gleichwohl ergeben sich vorliegend Zweifel an der Freiwilligkeit der Leistung, denn die Honorarvereinbarung ist so abgefasst, dass sie beim Kläger den Eindruck erwecken konnte, der Beklagte werde nicht ohne Zahlung des von ihm verlangten Betrages für den Kläger und seiner Familie tätig werden. Außerdem war mangels zumindest ungefährer Darlegung des Auftragumfangs für den Kläger auch nicht ersichtlich, welchen Umfang die gesetzlichen Gebühren denn stattdessen haben konnten. Während bei einem geschäftsgewandten Auftraggeber bereits die Zahlung des verlangten Betrages als solche zum Nachweis der freiwilligen und vorbehaltslosen Leistung genügen dürfte, sind bei einem ungewandten Auftraggeber erheblich höhere Anforderungen zu stellen (Madert, a.a.O., Rn. 25). Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger Ausländer ist und mit den geschäftlichen Gepflogenheiten in der Bundesrepublik nicht vertraut sein dürfte. Für einen gegenteiligen Sachverhalt ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig, dieser Verpflichtung ist der Beklagte nicht nachgekommen.
3. Hinzu kommt, dass zumindest auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes dem Kläger als einer aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich prozesskostenhilfeberechtigenden Partei wegen eines unterlassenen Hinweises des Beklagten auf eine mögliche Inanspruchnahme von Beratungs- /Prozesskostenhilfe ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 611, 675 BGB in Höhe des vereinbarten Honorars, aber auch in Höhe der nunmehr geltend gemachten gesetzlichen Gebühren zustehen dürfte (OLG Celle, Beschluss vom 17. Juli 2009 - 3 U 139/09 - gleich OLGR 2009, 883). Zwar hat der Kläger offenbar die verlangten 10.000,00 € Honorar aufbringen können. Woher das Geld stammte und ob der Betrag im Rahmen der bei der Prüfung der Bewilligung von Beratungs- bzw. Prozesskostenhilfe dem Kläger als Einkommen anzurechnen gewesen wäre, bleibt aber unklar. Gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 9 SGB XII sind zudem kleinere Bargeldbeträge und sonstige Geldwerte nicht zur Deckung von Prozesskosten einzusetzen, wobei eine besondere Notlage der nachfragenden Partei gegebenenfalls erhöhend zu berücksichtigen ist. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass es sich bei dem Betrag von 10.000,00 € um keinen kleineren Barbetrag mehr handelt, hätte die Situation der Familie, der ohne Aufenthaltsberechtigung die Abschiebung drohte, eine individuelle Bewertung erfordert. Im Übrigen sprechen aber gerade die Gegenstände der von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 20. August 2010 dargelegten Angelegenheiten, die er für die Familie des Klägers übernommen hat, dafür, dass diese in finanziellen Verhältnissen lebte, die die Bewilligung von Prozesskosten- bzw. Beratungshilfe nahegelegt hätten. So hat der Beklagte etwa die Mandate "Niederschlagung Gerichtskosten", "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht", "Beratung wegen Sozialleistungsbescheid", "Beratung wegen Krankenkasse mit Sozialleistungbezug", "Antrag auf Sozialhilfe beim Sozialamt Leipzig" oder "Antrag auf Arbeitslosengeld" bearbeitet, was auf insgesamt angespannte finanzielle Verhältnisse des Klägers und seiner Familie schließen ließ.
4. Es kommt daher nicht mehr entscheidend darauf an, dass der Beklagte inzwischen die Angelegenheiten auf der Grundlage der gesetzlichen Gebühren konkret abgerechnet hat (vgl. Madert, a.a.O., § 10 Rn. 12). Eine solche Berechnung, die auch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden kann, hat der Beklagte bislang jedoch nicht vorgelegt.
Die Zinsforderung ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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