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Kein Anspruch auf abstrakte Feststellung

Landgericht Hannover

Geschäfts-Nr.:

21 O 62/07

Verkündet am:

08.05.2008

pp, Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Urteil

Im Namen des Volkes!

In dem Rechtsstreit

1. Kläger

2. Kläger

3. Kläger

Kläger

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 3: pp

gegen

Beklagte

Beklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte pp

hat die 1. Kammer für Handelssachen (Kartellkammer) des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 03.04.2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht pp,

den Handelsrichter pp und

den Handelsrichter pp

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1. zu 30 %, der Kläger zu 2. zu 50 % und der Kläger zu 3. zu 20 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert bis zum 12.11.2007 1.152,13 €,

danach 524,79 €,

Tatbestand

Der Kläger zu 2. ist Gaskunde der Beklagten und bezweifelt die Angemessenheit von Preisanhebungen der Beklagten.

Der Kläger zu 2. (im Folgenden: Kläger) wird von der Beklagten im Tarifkundenvertrag K versorgt. Dies ist ein Vertrag der allgemeinen Versorgung im Sinne des § 10 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz vom 24.04.1998 bzw. der Grundversorgung entsprechend § 36 Energiewirtschaftsgesetz vom 07.07.2005 und unterliegt insoweit den Bedingungen der leitungsgebundenen Gasversorgung gem. §§ 2 – 34 AVB GasV.

Der Kläger hält die von der Beklagten in diesem allgemeinen Tarif vorgenommenen Preiser-höhungen zum 01.10.2004, 01.09.2005, 02.01.2006 und 01.10.2006, die jeweils in den Amtsblättern verkündet worden sind, für unwirksam. Die Beklagte habe nicht darge-legt und bewiesen, dass ihre Leistungsbestimmung der Billigkeit entspreche. Solange die Beklagte dies nicht getan habe, sei er berechtigt, eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel der Feststellung der Unwirksamkeit der jeweiligen Preisanhebungen zu erheben. Er habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit; die Preiserhöhungen seien unverbindlich bis die Angemessenheit festgestellt worden sei. Wenn dem Kunden eines Unternehmens der Daseinsvorsorge die Einrede der unbilligen Tariffeststellung zustehe, folge daraus sogleich, dass auch in einem Aktivprozess der Kunde mit der Einrede der Erhöhung begegnen könne, ohne sogleich mittels der Gestaltungsklage die Festsetzung des angemessenen Entgeltes durch Urteil betreiben zu müssen.

Die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 3. haben ihre Klage am 12.11.2007 zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Preiserhöhungen der Beklagten für die Gaslieferungen zum 01.10.2004, 01.09.2005, 02.01.2006 und 01.10.2007 unwirksam sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Klage sei ungeachtet ihrer materiellen Unbegründetheit bereits unzulässig. Eine etwaige Unbilligkeit der seinerzeit jeweils getroffenen Leistungsbe-stimmung führe nicht zugleich zur Unwirksamkeit jeder etwaigen anderweitigen Preis-erhöhung, weil der Beklagten grundsätzlich ein Preisbestimmungsrecht zustehe. Dieses Preisanpassungsrecht ergebe sich aus § 4 AVB GasV.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die protokollierten Erklärungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig.

Dem Kläger steht ein rechtliches Interesse an der isolierten Feststellung der Unwirksamkeit der Preiserhöhungen vom 01.10.2004, 01.09.2005, 02.01.2006 und 01.10.2006 nicht zu.

Dem Kläger kann nicht dahin gefolgt werden, dass die die Preisanhebung leugnende Feststellungsklage bereits deshalb zulässig sei, weil die Beklagte sich dieses Anspruchs aufgrund ihrer Leistungsbestimmung berühme, diese aber aufgrund nicht nachgewiesener Angemessenheit unverbindlich sei. Dieses grundsätzlich zu bejahende Interesse bezüglich einer negativen Feststellungsklage trägt den Besonderheiten des Schuldverhältnisses der Parteien nicht hinreichend Rechnung. Denn ein rechtliches Interesse an der Feststellung ist nur dann gegeben, wenn zumindest dem Grunde nach eine endgültige Klärung des Rechtsverhältnisses der Parteien durch die Entscheidung des Rechtsstreits erreicht werden kann. Daran fehlt es vorliegend.

Der Ausspruch der Unwirksamkeit der Preiserhöhung führt nicht unmittelbar dazu, dass die Beklagte nicht berechtigt wäre, von dem Kläger ein höheres Entgelt als das bis zu den jeweiligen Erhöhungsdaten verlangte zu berechnen.

Die Parteien streiten nicht darum, ob der Beklagten überhaupt ein Recht zur Preisan-passung zusteht. Denn die Berechtigung dazu aufgrund der Regelung in § 4 AVB GasV wird vom Kläger, der im allgemeinen Tarif K versorgt wird, nicht in Zweifel gezogen. Da die AVB GasV als die auf das Rechtsverhältnis der Parteien zwingend anzuwendende Verordnung mit Rechtsnormqualität nicht der Kontrolle entsprechend § 305 ff. BGB unterliegt (vgl. bereits BGH NJW 87, 1622), steht die grundsätzliche Berechtigung der Beklagten zur Preisanpassung nicht in Zweifel. Vielmehr betrifft der Streitgegenstand ausschließlich den Umfang der Preisanpassung, die nach billigem Ermessen zu erfolgen hat. Damit ist eine diesen Anforderungen nicht genügende Preis-anpassung für den Kläger unverbindlich. Er müsste den erhöhten Preis mangels Verbindlichkeit nicht zahlen. An dieser isolierten Feststellung hat der Kläger jedoch kein anerkennenswertes berechtigtes Interesse. Denn die Feststellung der Unwirksamkeit gerade dieser Preisbestimmung führt nicht dazu, dass der Beklagten jedwede Preisan-hebung danach abgeschnitten wäre. Die Feststellung der Unwirksamkeit führt nicht zur endgültigen Nichtigkeit und Unwirksamkeit einer auf § 4 AVB GasV im jeweiligen Zeitpunkt gestützten Preisanhebung. Vielmehr wäre die Beklagte berechtigt, ihr Preis-anpassungsrecht – in welchem Umfang auch immer – erneut auszuüben. Wollte man die Feststellungsklage als zulässig ansehen, wäre naturgemäß auch gegenüber dieser erneuten Preisanpassung eine erneute Feststellungsklage zulässig. Im Falle eines Erfolges wäre damit trotz zweier Klagen das von dem Kläger zu zahlende Entgelt nicht abschließend geklärt und es käme eine dritte Preisanpassung in Betracht.

Diese Erwägungen zeigen, dass mittels des von dem Kläger gewählten Verfahrens keine endgültige verbindliche Klärung des Rechtsanspruchs der Parteien ab den jeweiligen Zeitpunkten erreicht werden kann. Vielmehr ist der Kläger als ggf. Betroffener einer unverbindlichen aber rechtlich nicht endgültig unwirksamen Preisanpassung darauf zu verweisen, dass er eine Verfahrensweise wählt, die mittels Urteil zu einer verbindlichen Preisbestimmung zwischen den Parteien führt.

Dies kann der Kläger als von der Preisbestimmung Betroffener auf zwei Wegen erreichen. Er hat die Möglichkeit, die erhöhten Preise nicht zu bezahlen und in einem ggf. von der Beklagten angestrengtem Prozess die Einrede der Unbilligkeit zu erheben. Durch Urteil wird der von dem Kläger zu zahlende Preis sodann verbindlich festgesetzt. Im Falle, dass der Kläger den Schwebezustand vermeintlicher Unverbindlichkeit geklärt wissen will, hat der Kläger daraus die Konsequenzen zu ziehen und mittels auch ihm möglicher Gestaltungsklage gem. § 315 BGB die Feststellung des geschuldeten Entgeltes endgültig wirksam zu erreichen (vgl. Palandt § 315 Rdnr. 17, siehe auch BGH Urteil vom 04.03.2008 KZR 29/06 Rdnr. 29, der den Erlass eines Grundurteils in vergleichbaren Fällen der Bewertung von Netznutzungsentgelten ablehnt).

Da der Kläger trotz mehrfachen Hinweises, zur Vermeidung der Abweisung der Klage als unzulässig jedenfalls hilfsweise einen Gestaltungsantrag zu stellen, um sein Begehren, die Darlegung der Preisanpassung und der Kalkulation zu erreichen, nur und ausschließlich den Feststellungsantrag gestellt hat, war die Klage insgesamt als unzu-lässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 269 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Der Schriftsatz vom 30.04.2008 gibt keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Vors. zugleich für den urlaubsbedingt abwesenden HRi HRi

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