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Urteil: Unterschiedliche Gebietspreise für Abfallentsorgung wettbewerbswidrig

Landgericht Hannover

Geschäfts-Nr.:

18 O 217/08

Verkündet am:

16. Juni 2009

, Justizangestellte

als Urkundsbeamtin/beamter der Geschäftsstelle

Urteil

Im Namen des Volkes!

In dem Rechtsstreit

A.,

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

L.

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2009 durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht,

den Richter am Landgericht und

den Richter am Landgericht

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 82 %, die Beklagte zu 18 %.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin, ein öffentliches Unternehmen, nahm bis zur Neuorganisation der Abfallentsorgung in der Region Hannover im Jahre 2003 die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung im Bereich des ehemaligen Landkreises Hannover wahr. Im Jahre 2003 wurde diese Hauptaufgabe der Klägerin auf den … übertragen, welcher seitdem die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung im früheren Zuständigkeitsbereich der Klägerin und zusätzlich in dem Gebiet der Landeshauptstadt Hannover wahrnimmt. Der Zweckverband hat seinerseits der Klägerin die in ihrem Eigentum stehenden Anlagen, Einrichtungen und Fahrzeuge im Rahmen von vertraglichen Vereinbarungen zur Nutzung überlassen. Neben dem Unterhalt und der Vermietung und Verpachtung von Einrichtungen werden die gewerblichen Tätigkeiten im Rahmen der Abfallentsorgung in der Region Hannover von der Klägerin wahrgenommen. Dazu gehört insbesondere das Einsammeln und Transportieren von Verkaufsverpackungen in der Region Hannover. Die Klägerin ist hierbei nach einem Zuschlag der D. GmbH aufgrund einer Ausschreibung deren Leistungsvertragspartner und hält für die D. GmbH Behälter und Einrichtungen zur Erfassung von gebrauchten sog. "LVP-Verkaufsverpackungen" vor. Hierbei sammelt die Klägerin für die D. GmbH gebrauchte LVP-Verkaufsverpackungen beim Endverbraucher i.S.des § 3 Absatz 11 Verpackungsverordnung ein. Zum 1.1.2007 schloss die Klägerin sowohl mit der D. GmbH wie der Beklagten neue Leistungsverträge mit einer Laufzeit von 3 Jahren.

Das Geschäftsmodell der Beklagten besteht in der Übernahme der Entsorgungspflichten ihrer Kunden. Um diese zu erfüllen, schloss die Beklagte 2007 mit der Klägerin einen "Vertrag zur Mitbenutzung von Einrichtungen zur Erfassung von gebrauchten LVP Verkaufsverpackungen", der die bisherigen vertraglichen Verpflichtungen abänderte. Insbesondere wurde die Vergütung nunmehr an einen sogenannten Gebietspreis gekoppelt.

Gemäß § 1 des Vertrages ist Gegenstand des Vertrages die Mitbenutzung der von der Klägerin im Rahmen eines Leistungsvertrages mit der D. GmbH vorgehaltenen Behälter und Einrichtungen zur Erfassung von gebrauchten LVP Verkaufsverpackungen (Leichtver¬packungen) durch das in der Präambel des Vertrages beschriebene System L.. Die Klägerin gestattet hierbei die entgeltliche Mitbenutzung durch die Beklagte und sammelt die dem System L. so überlassenen gebrauchten Leichtverpackungen ein. Die Beklagte verzichtet ausdrücklich auf die getrennte Erfassung und Überlassung der ihrem System zuzu¬rechnenden Leichtverpackungen und systemfremden Materien. In § 12 ist die Vergütung zwischen den Parteien wie folgt geregelt worden:

"Bei der Abgeltung der von a (Klägerin) gemäß diesem Vertrag zu erbringenden Leistungen ist von einem Gebietspreis auszugehen. Der Gebietspreis ist der zwischen L. und a. vereinbarte Preis für die Leistungen nach diesem Vertrag hochgerechnet auf das gesamte Aufkommen an LVP aller dualen Systeme im Vertragsgebiet. Er beträgt für das Vertragsgebiet NS 052 (Stadt Hannover) 1.960.000,- EURO/Kalenderjahr und für das Vertragsgebiet NS 004 (Landkreis Hannover) 2.470.000,- EURO/Kalenderjahr jeweils zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer. Die von L. zu zahlende Vergütung wird quartalsweise nach folgender Formel angepasst:

"Gebietspreis nach Satz 1 x Planmengenanteil LVP (§ 5) in Prozent

= angepasste Vergütung"."

Während der Vertrag mit der D. GmbH vorsieht, dass die LVP-Verkaufsverpackungen von der Klägerin zu einer Sortierungsanlage in H.-A. - S. - geliefert werden müssen, sieht der Vertrag mit der Beklagten vor, dass die Beklagte die LVP-Verkaufsverpackungen täglich bei den Deponien Kolenfeld in Wunstorf und Burgdorf abholen muss.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin den nach der o. g. Berechnungsformel zwischen den Parteien vereinbarten Gebietspreis für den Zeitraum April 2008 bis April 2009 abzüglich von der Beklagten geleisteter Zahlungen geltend. Die Beklagte hat - teilweise verspätet - Zahlungen nur in Höhe des zwischen der Klägerin und der D. GmbH vereinbarten Gebietspreises geleistet, der jeweils geringere Beträge vorsieht. Hinsichtlich der Einzelheiten der Zahlungseingänge und Rückstände wird auf die zwischen den Parteien unstreitige Abrechnung der Klägerin vom 12.05.2009 (Bl. 250 d. A.) verwiesen. Demnach ist der vertragliche Gebietspreis für die Entsorgung der Verpackungsmengen die D. GmbH bzgl. des Gebiets der Stadt Hannover ca. 50 % und für das Umland ca. 35 % geringer.

Nachdem die Klägerin ursprünglich behauptet hatte, dass sämtliche Sammelfahrzeuge mit den Leichtverpackungen direkt auf ihrer Sammeltour zu der Sortieranlage S. in A. fahren und dort erst abladen (Bl. 75 d. A.), ist nun zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin einen Teil der D. zuzuordnenden Leichtverpackungen direkt zur Sortieranlage S. fährt, während ein anderer Teil zunächst zu den Umschlagsplätzen Wunstorf und Burgdorf verbracht wird und dann erst zur Sortieranlage transportiert wird. Insoweit wird hinsichtlich der Einzelheiten auf die Anlagen K 8 bis K 10 (Bl. 240 bis 242) verwiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein sachlicher Grund für die Differenzierung der Gebietspreise zwischen der Beklagten und ihrem Vertragspartner, der D. GmbH, bestehe, da die Beklagte neben der reinen Erfassung von der Klägerin weitere Zusatzleistungen beanspruche, die für die D. GmbH nicht beständen und folglich im streitgegenständlichen Vertragsverhältnis zusätzlich vergütet werden müssten. Diese zusätzlichen Leistungen beständen im Einzelnen in den zusätzlichen administrativen Aufgaben (Disposition, EDV-technische Abwicklung, Vertragscontrolling), in der Bereitstellung von 2 Umschlaganlagen in Kolenfeld und Burgdorf, Umschlagtätigkeiten, Verwiegungen, Beladung der Fahrzeuge, Sicherung der Materialien, Zwischenlagerung der Materialien und zusätzliche Transportkosten zu diesen Übergabestellen für die Materialien aus dem Vertragsgebiet Stadt Hannover, die an den Umschlaganlagen der Beklagten übergeben werden müssen.

Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hatte,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 59.569,06 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 16.825,52 € seit dem 02.05.2008 sowie auf weitere 42.743,54 € seit dem 02.12.2008 zu zahlen,

haben die Parteien aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Zahlung der Beklagten den Rechtsstreit in Höhe von 8.993,39 € übereinstimmend für erledigt erklärt, sodass die Klägerin nunmehr beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 50.575,70 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent¬punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 16.825,52 € seit dem 02.05.2008 sowie auf weitere 33.750,18 € seit dem 02.12.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass vertraglich ein einheitlicher Gebietspreis von der Klägerin mit allen Entsorgern vereinbart sei, so dass eine Differenzierung des Gebietspreises zwischen der D. und ihr unzulässig sei. Darüber hinaus stelle die Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB dar, da die Klägerin, was zwischen den Parteien unstreitig ist, auf dem Gebiet der Einsammlung von Leichtverpackungen eine marktbeherrschende Stellung inne hat.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf weitergehende Vergütung aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag über die Mitbenutzung von Einrichtungen zur Erfassung von gebrauchten LVP-Verkaufsver¬packungen zu. Zwar haben die Parteien zur Überzeugung der Kammer einen selbstständigen Gebietspreis vereinbart, der von dem der D. GmbH abweicht. Diese Abweichung des Gebietspreises stellt aber eine Ungleichbehandlung i.S.d. § 20 Abs. 1 2 Fall GWB dar und ist unwirksam.

Die Klägerin ist, was zwischen den Parteien unstreitig ist, Normadressatin des Diskriminierungsverbotes. Sie ist auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt für die Erfassung von gebrauchten LVP-Verkaufsverpackungen marktbeherrschend i. S. von § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Die Klägerin behandelt die Beklagte vorliegend im Verhältnis zur D. GmbH auch ungleich. Die Klägerin fordert von verschiedenen Unternehmen für das Einsammeln der Leichtver¬packungen unterschiedliche Entgelte. Gemäß § 20 GWB ist eine solche Ungleich¬behandlung nur zulässig, sofern hierfür ein sachlicher Grund besteht. Für das Vorliegen eines sachlichen Grundes ist die Klägerin beweispflichtig.

Ob gleichartige Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt werden dürfen, ist unter Abwägung der Interessen der Beteiligten bei Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu beurteilen. Auf der Seite der unter¬schiedlich behandelten Normadressaten können für die Interessenabwägung grund¬sätzlich alle Interessen berücksichtigt werden, soweit sie nicht auf einen gesetzwidrigen Zweck gerichtet sind oder gegen rechtliche Wertung des GWB oder andere Rechts¬vorschriften verstoßen und schon aus diesen Gründen von vornherein nicht berück¬sichtigungsfähig sind. Auch einem marktbeherrschenden Unternehmen steht hierbei ein unternehmerischer Freiraum zu. Es darf im Grundsatz seine geschäftliche Tätigkeiten und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so gestalten, wie es dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig hält. Auch die Normadressaten des § 20 Abs. 1 GWB sind daher z.B. grundsätzlich nicht verpflichtet, Wettbewerber zum eigenen Schaden ebenso zu fördern wie andere Interessenten mit ihnen verbundenen Unternehmen (BGH WUW-E BGH 2755, 2758 ff.).

Vorliegend sind die von der Klägerin genannten Differenzierungsmerkmale nicht ausreichend um die erhebliche Preisdifferenzierung bzgl. des Gebietspreises zu rechtfertigen. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Klägerin nach der gesetzlichen Zulassung verschiedener Entsorger Kosten entstanden sind, die zuvor in dieser Form nicht angefallen waren und von der Klägerin im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der zusätzlichen administrativen Aufgaben geltend gemacht werden. Diese zusätzlichen Kosten mögen in der Vergangenheit bei einem noch laufenden Vertrag mit der D.GmbH eine Differenzierung hinsichtlich der übrigen Beteiligten gerechtfertigt haben. Eine solche Differenzierung ist jedoch im Jahre 2007, mithin zu einem Zeitpunkt, als sowohl die Verträge mit der D. GmbH wie mit der Beklagten neu verhandelt wurden, nicht mehr gerechtfertigt. Vielmehr haben sich im Jahre 2007 sämtliche Beteiligte an den entsprechenden administrativen Kosten zu beteiligen, die durch das Vorhandensein verschiedener Wettbewerber auf dem Gebiet der Entsorgung von Leichtverpackung entstehen.

Soweit die Klägerin darüber hinaus die Transportkosten sowie die zusätzlichen Umschlag¬plätze Wunstorf und Burgdorf als Kriterium für eine Preisdifferenzierung heranzieht, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Im Laufe des Rechtsstreits wurde unstreitig, dass die Klägerin auch in der Vergangenheit die für das duale System vorgesehenen Teilmengen aus logistischen Gründen in Wunstorf und Burgdorf zwischenlagerte und dann erst zur S. nach A. abtransportierte. Durch das Auftreten weiterer Wettbewerber ist die Klägerin aus logistischen Gründen nun nicht mehr verpflichtet, sämtliche Umschlagsmengen von Wunstorf und Burgdorf nach A. zu transportieren, sondern kann diese dem Abtransport anderer Systeme vor Ort über¬lassen. Dies führt zunächst hinsichtlich der Transportkosten zu einer Kostenersparnis. Die reine Bereitstellung der Flächen in Wunstorf und Burgdorf verursacht für die Klägerin nach Ansicht der Kammer ebenfalls keine relevanten zusätzlichen Aufwendungen, da die Beklagte gem. § 4 Abs. 1 des Vertrages verpflichtet ist, die ihrem System zuzurechnenden Abfälle dort täglich mit Working-Floor-Fahrzeugen abzuholen bzw. abholen zu lassen und diese Mengen an Leichtverpackungen in der Vergangenheit ebenfalls in Wunstorf und Burgdorf anfielen, bevor sie zur S. geliefert wurde. Soweit es die Leichtverpackungen aus dem Gebiet der Stadt Hannover betrifft, entstehen für diese, wie die Klägerin geltend macht, Mehraufwendungen im Rahmen des Transports nach Wunstorf und Burgdorf, da die Sortieranlage S. für die LVP-Verpackungen aus dem Stadtgebiet teilweise zentraler gelegen ist. Dies rechtfertigt aber keinen Gebietspreis, der um ca. 50 % von dem der D. GmbH abweicht, zumal nicht das gesamte Stadtgebiet näher an der Sortieranlage S. als an einem der Umschlagplätze gelegen ist und die Klägerin auch nicht konkret darlegt, wie sich die Transportwege kostenmäßig verändert haben.

Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Unter¬nehmen der öffentlichen Hand eine Differenzierung der Preisgestaltung nur bei Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes vornehmen darf. Die von der Klägerin dargelegten Kriterien begründen aber aus den oben genannten Gründen keine Differenzierung des Gebietspreises, wie sie von der Klägerin vorgenommen wird.

II. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 91 a, 709 ZPO.

Soweit die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da sie sich mit der Zahlung der unstreitig der Klägerin zustehenden Vergütung in Verzug befand.

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