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Insolvenzrechtliche Ansprüche: Keine Rückabwicklung im Dreieck bei verbundenen Geschäften

Leitsatz

Der von der Gläubigerversammlung zur Geltendmachung insolvenzrechtlicher Anfechtungsansprüche ermächtigte Treuhänder kann von der Bank, die die Prämien für eine Restschuldversicherung im Rahmen der Kreditaufnahme mit kreditiert und den mit der Versicherung abgeschlossenen Vertrag gekündigt hat, nicht die Auskehrung des an die Bank gezahlten Rückkaufswertes verlangen.

Landgericht Hannover, Urteil vom 16.08.10 - 20 S 3/10

Amtsgericht Hannover 464 C 10005/08

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.01.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts…. abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 06.01.2010 (Bl. 204 ff d. A.).

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen die Verurteilung durch das Amtsgericht. Der Anspruch auf Auszahlung der Restschuldversicherungsprämie sei nicht in das Schuldnervermögen gelangt und stehe dem Kläger nicht zu.

Sie beantragt,

unter Abänderung des am 06.01.2010 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Hannover, Az. 464 C 10005/08, die Klage des Klägers und Berufungsbeklagten abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung abzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und hat in der Sache Erfolg.

Das angefochtene Urteil war insgesamt abzuändern. Dem Kläger steht gegen die Be­klagte kein Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 724,95 EUR aufgrund der am 04.07.2006 vom Schuldner abgeschlossenen Restschuldversicherung zu.

1.

Ein Anspruch des Klägers als Treuhänder über das Vermögen des Schuldners auf Auszahlung der von der Beklagten vereinnahmten Versicherungsprämie aus § 35 InsO i.V.m. §§ 346, 357 BGB besteht entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht.

Selbst wenn es sich bei dem Darlehensvertrag und dem Restschuldversicherungsvertrag um ein verbundenes Geschäft i.S.v. § 358 BGB handelt, wie vom Amtsgericht bejaht (vgl. nunmehr auch BGH, Urteil vom 15.12.2009 - XI ZR 45/09) führt dies nicht dazu, dass der von der beklagten Bank von der Versicherung vereinnahmte Betrag von 724,25 EUR an den Kläger auszukehren ist.

Zwar erfasst bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts der Widerruf des Darlehensvertrags auch den Restschuldversicherungsvertrag mit dem Ergebnis, dass eine Rückabwicklung nach §§ 357, 346 BGB erfolgt. Die zuvor ausgesprochene Kündigung des Darlehensvertrags durch die Beklagte hindert dabei den Widerruf nicht, weil der Widerruf auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt und damit der Kündigung die Grundlage entzieht (so auch AG Schöneberg, Urteil vom 12.11.2008 - 104a C 227/08 - juris-Rn. 19).

Nach der in diesem Fall anwendbaren Vorschrift des § 358 Abs. 4 S. 3 BGB steht dennoch dem Kläger kein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsprämie zu. Die Rückabwicklung des Restschuldversicherungsvertrags erfolgt vielmehr nicht im Verhältnis zwischen Schuldner und Versicherung, sondern direkt im Verhältnis zwischen Bank und Versicherung, so dass der Schuldner keinen Anspruch auf Prämienerstattung hatte.

Gemäß § 358 Abs. 4 S. 3 BGB tritt die Beklagte im Verhältnis zum Schuldner hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten der Versicherung ein, weil das Darlehen der Versicherung bereits zugeflossen war. Diese Regelung schränkt den Grundsatz, dass im Falle eines Widerrufs die Rückabwicklung innerhalb der jeweiligen Vertragsbeziehung stattfindet, dahingehend ein, dass die Beklagte in die Rechte und Pflichten der Versicherung einrückt, so dass es zu einer ausschließlich bilateralen Rückabwicklung im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Schuldner kommt. Denn durch den Eintritt des Darlehensgebers in die Rechte und Pflichten des Unternehmers kommt es insoweit zu einer Konsumtion oder Saldierung kraft Gesetzes. Es soll zum Schutz des Verbrauchers gerade keine Rückabwicklung im Dreieck erfolgen, eine Rückzahlung des Kreditbetrags vom Schuldner an den Darlehensgeber einerseits und eine Erstattung des finanzierten Entgelts für die Leistung des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag an den Verbraucher andererseits mithin also nicht stattfinden. Die Rückabwicklung der genannten Leistungen erfolgt - auch im Fall der Insolvenz des Darlehensnehmers - allein im Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Unternehmer (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.11.2009 - I-6 U 27/09 -, ZinsO 2010, 393, 394 f. m.w.N.; OLG Stuttgart, Urteil vom 26.05.2009 - 6 U 21/09 -; OLG Schleswig, Urteil vom 25.06.2009 - 5 U 3/09; a.A. AG Göttingen, Urteil vom 26.02.2010 - 21 C 147/09, ZinsO 2010, 816, 817).

Die Kammer schließt sich der vorgenannten in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung an. Die gesetzliche Regelung soll nicht zu einer Bereicherung des Schuldners um einen Vermögenswert führen, der - wie hier die unmittelbar von der Beklagten an die Versicherung geflossenen Prämien - nie zu seinem Vermögen gehörte. Sie soll ihn vor den Risiken aus der Aufspaltung eines einheitlichen in zwei getrennte Geschäfte schützen, ihm aber keinen Aufspaltungsgewinn verschaffen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., 394 m.w.N.). Zu beachten ist vielmehr, dass die Versicherungsprämie nicht aus dem Vermögen des Schuldners stammt, sondern im Rahmen der Kreditaufnahme mit kreditiert wurde, somit wirtschaftlich gesehen aus dem Vermögen der Beklagten stammt. Folglich kann es den Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligen, wenn der Rückkaufswert an das Kreditinstitut zurückfließt (so auch Schimikowski, Restschuldversicherung in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, jurisPR-VersR 4/2010 Anm. zu LG Düsseldorf v. 20.01.2010).

2.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückgewähr des von der Versicherung an die Beklagte geleistete Zahlung von 724,95 EUR aus §§ 131 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO.

Auch für diesen Anspruch müsste der Schuldner einen Anspruch auf Prämienauszahlung gehabt haben. Da dies, wie ausgeführt, nicht der Fall ist, liegen mangels Gläubigerbenachteiligung die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach §§ 129, 131 InsO nicht vor.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entschei­dung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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