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Insolvenzrecht: Keine abgesonderte Befriedigung aus Rückkaufswert einer Lebensversicherung

Bestätigt durch OLG Celle, Urteil vom 20.10.2010 - 4 U 105/10

Landgericht Hannover

Geschäfts-Nr.:

20 O 220/09

Verkündet am:03.05.2010

Im Namen des Volkes!

Urteil

In dem Rechtsstreit

Land N.,

Kläger

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt W.

gegen

S. als Insolvenzverwalter über das Vermögen des N.,

Beklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte B.

wegen Absonderung aus Insolvenzrecht

hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. B als Einzelrichter

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das klagende Land.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Das klagende Land verlangt von dem Beklagten als Insolvenzverwalter im Wege eines Absonderungsrechtes am Rückkaufswert einer Lebensversicherung des Schuldners gemäß § 170 Absatz 2 InsO die Zahlung von 46.270,06 Euro.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des N.

Der Insolvenzschuldner hatte eine Lebensversicherung mit der Nummer …. bei der Versicherung A. abgeschlossen.

Am 27.03.2000 traf der Schuldner mit der D.Bank folgende Vereinbarung:

Der Sicherungsgeber tritt hiermit sämtliche gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche, die ihm aufgrund des Versicherungsvertrags für den Todesfall gegen die o.g. Versicherungsgesellschaft zustehen (...) an die Bank ab. (...) Die Abtretung erfolgt zur Sicherung der Ansprüche der Bank gegen den Kreditnehmer aus dem oben näher bezeichneten Kredit, und zwar auch dann, wenn die vereinbarte Kreditlaufzeit verlängert wird.(...) Der Sicherungsgeber kann den Vertrag nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Bank kündigen.(...).

Das klagende Land pfändete am 9. November wegen rückständiger Steuerschulden die Ansprüche des Schuldners gegenüber der A. Versicherung aus der Lebensversicherung. Als Vollstreckungsschuldner war N. angegeben.

Mit Schreiben vom 25. November 2004 teilte die A. Versicherung dem klagenden Land mit, dass die Lebensversicherung des Schuldners für den Todesfall abgetreten sei.

Am 25.07.2005 beantragte das klagende Land die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners.

Am 07.04.2006 stellte der Schuldner einen Eigenantrag.

Am 24.04.2006 wurde das Insolvenzverfahren unter der Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter eröffnet.

Drei Monate später machte das klagende Land gegen den Beklagten das Recht auf abgesonderte Befriedigung in Höhe von ca. 90.000,- Euro geltend.

Mit Schreiben vom 27.11.2007 reduzierte das klagende Land die Forderung auf den gegenständlichen Betrag.

Der Beklagte kündigte die Lebensversicherung. Der Rückkaufswert der Lebensversicherung wurde mit Zustimmung der D. Bank an die Insolvenzmasse ausgekehrt. Die D. Bank meldete eine Forderung in Höhe von ca. 260.000 Euro zur Insolvenztabelle an.

Der Kläger behauptet, die Abtretung der Lebensversicherung an die Bank sei zu dem Zweck erfolgt, für den Schuldner steuerliche Privilegierungen zu erhalten. Er ist der Ansicht, er habe die Lebensversicherung wirksam gepfändet und daher ein Recht auf Absonderung des Rückkaufswertes aus der Insolvenzmasse. Er ist hilfsweise der Ansicht, er habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 46.270,06 Euro abzüglich 4 % Feststellungskosten zu zahlen zzgl. Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2006.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Abtretung der Lebensversicherung sei zur Absicherung von Darlehen erfolgt. Er ist der Ansicht, der Kläger habe mangels Angabe der Versicherungsnummer auf der Pfändungsverfügung nicht wirksam pfänden können.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Das klagende Land hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung in Höhe von 46.270,06 Euro gem. § 50 Abs. 1 InsO oder Schadensersatz gegen den Beklagten persönlich..

I.

Der Anspruch auf abgesonderte Befriedigung gem. § 50 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass der Gläubiger an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht hat. Ein Pfändungspfandrecht am gepfändeten Gegenstand entsteht gem. § 804 ZPO mit der Pfändung. Mit dem Pfändungspfandrecht wird dem Pfandgläubiger gem. §§ 804 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 1227 BGB der gleiche Schutz eingeräumt wie dem Eigentümer (Brox, Walker, in: Zwangsvollstreckungsrecht, 8. Auflage, Rn. 374).

Durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 9. November 2004 hat das klagende Land an der Forderung des Schuldners gegenüber der A. Versicherung auf Auszahlung des Rückkaufswerts kein insolvenzfestes Pfandrecht erlangt, da die Forderung bereits am 27. März 2000 an die D. Bank abgetreten war.

Der Kläger konnte wegen der zeitlich vorgehenden Sicherungsabtretung der Versicherung an die D. Bank mit der Pfändung kein Pfändungspfandrecht erwirken. Durch die zeitlich vorgehende Sicherungsabtretung erlangte die D. Bank als Zessionar alle Gläubigerrechte an den Ansprüchen aus der Versicherung. Auf welche Rechte sich die Abtretung erstreckt, obliegt im Rahmen des rechtlich Möglichen der freien Gestaltung der Parteien. Ob sie sich auch auf den Rückkaufswert erstreckt, hat der Tatrichter deshalb durch Auslegung der bei der Sicherungsabtretung abgegebenen Erklärungen unter Berücksichtigung der Parteiinteressen und des Zwecks des Rechtsgeschäfts zu ermitteln (BGH, Urteil vom 13.06.2007 - IV ZR 330/05 -, in: ZInsO 2007, S. 772, 773). Aus dem Wortlaut der Sicherungsabtretung ist zu entnehmen, dass sämtliche Ansprüche und Rechte von der Abtretung umfasst sein sollen. Die weiteren Bestimmungen der Abtretungserklärung schließen den Anspruch auf den Rückkaufswert nicht aus. Insbesondere sind keine Durchstreichungen steuerrechtlicher Hinweise im Formulartext vorhanden (wie im klägerisch zitiertem Fall, siehe BGH, in: ZInsO, a.a.O.). In diesem konkreten Fall ist die Bestimmung zum Kündigungsrecht so auszulegen, dass der Zustimmungsvorbehalt den Zweck hat, der Sicherungsnehmerin den ihr übertragenen Anspruch auf den Rückkaufswert zu erhalten. Daneben schützt der Zustimmungsvorbehalt die Sicherungsnehmerin davor, dass die Versicherung durch eine einseitige Kündigung durch den Schuldner die Todesfallleistung nicht mehr erbringen muss. Diese beiden Zweckrichtungen ergänzen sich hier. Sie stehen im Einklang mit den übrigen Bestimmungen. Nach dem erkennbaren Gestaltungswillen des Versicherungsnehmers soll der Abtretungsgegenstand erdenklich weit gefasst sein. Dafür, dass die Parteien hier von anderen Motiven geleitet gewesen wären, spricht nichts. Der klägerische Vortrag zum allgemeinen Umgang mit Lebensversicherungen und deren steuerlichen Privilegierungen reicht nicht aus, um im vorliegenden Fall den eindeutigen Wortlaut und naheliegenden Gestaltungswillen der Parteien zu widerlegen. Der vom klagenden Land zitierte Fall ist aufgrund anders lautender Vereinbarung nicht auf den hiesigen übertragbar. Die Auslegung ergibt, dass der Rückkaufswert von der Sicherungsabtretung umfasst ist.

Die Sicherungsabtretung bewirkt, dass der Zessionar im Außenverhältnis gegenüber Dritten seine Forderung gerichtlich und außergerichtlich geltend machen und auch weiter abtreten kann (Grüneberg in: Palandt, § 398 Rn. 24). Die Forderung gehört nicht mehr zum Vermögen des Schuldners (Stöber, a.a.O., Rn. 764). Auch wenn noch keine Verwertungsreife eingetreten ist, kann der Zessionar der Forderungspfändung durch andere Gläubiger des Zedenten widersprechen (Grüneberg, a.a.O., Rn. 26). Indizien für eine unwirksame Abtretung sind nicht ersichtlich. Die Abtretung erfolgte schriftlich unter bestimmter Angabe des Abtretungsgegenstandes und des Sicherungszwecks. Die Versicherung wurde schriftlich über die Abtretung informiert. Es kann dahinstehen, wann die Versicherungsleistung fällig war und wann die gesicherte Forderung verwertet werden durfte. Diese Vereinbarungen betreffen nur das Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar. Aus der mangelnden Fälligkeit der Versicherungsleistung ist nicht die Unwirksamkeit der Abtretung herzuleiten. Indizien für eine Übersicherung sind nicht ersichtlich.

Durch Pfändung einer bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgetretenen Forderung wird ein Pfändungspfandrecht nicht bewirkt (BGH, in NJW 1971, S. 1938, 1941; BGH, in: VersR 2002, S. 334). Ist die Forderung nur sicherungshalber abgetreten, unterliegt der Anspruch auf Rückübertragung der Forderung nach Erledigung des Sicherungszwecks dem Pfändungszugriff (Stöber, a.a.O., Rn. 770). Anhaltspunkte für die Erledigung des Sicherungszwecks sind nicht ersichtlich. Zudem ist auch nichts zur Rückübertragung der Forderung vorgetragen.

II.

Das klagende Land hat wegen der Kündigung der Lebensversicherung und Generierung des Rückkaufswertes zur Insolvenzmasse durch den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten. Aus dem klägerischen Vortrag sind keine vertraglichen oder deliktischen Handlungen des Beklagten erkennbar, die einen Schadensersatzanspruch des Klägers indizieren. Der Insolvenzverwalter durfte die Versicherung gem. § 166 InsO verwerten. Aus dem Erlös ist gem. § 170 Abs.1 S. 2 InsO der absonderungsberechtigte Gläubiger zu befriedigen. Der Kläger ist aus den obig genannten Gründen nicht absonderungsberechtigt. Es sind keine Indizien vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass der Beklagte ein Absonderungsrecht des Klägers vereitelt hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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