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Geschäftsbesorgungsverträge im Insolvenzverfahren

Landgericht Hannover

20 O 41/09

Bestätigt durch Beschluss des OLG Celle vom 28.10.2010 - 3 U 134/10

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn Rechtsanwalt J.

Kläger

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J.

gegen

Herrn L.

Beklagter

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin E.

hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 10.06.2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. B. die Richterin am Landgericht C. und die Richterin am Landgericht K.

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren.

Er behauptet, der Beklagte habe ihn mit verschiedenen anwaltlichen Dienstleistungen beauftragt, ohne diese zu bezahlen. So sei er von Juni bis September 2006 in der Sache L. ./. M. tätig geworden, wofür die unter dem 15.06.2006 mit vorläufiger Vergütungsrechnung Nr. 159/2006 berechneten Gebühren von 2.639,00 EUR angefallen seien. Von Juni bis September 2006 sei er auch in der Angelegenheit L. ./. Z. tätig geworden, so dass ihm der unter dem 15.06.2006 mit vorläufiger Vergütungsrechnung Nr. 160/2006 in Rechnung gestellte Betrag von 2.430,00 EUR zustände. Er habe vom Beklagten des Weiteren im Juli 2006 den Auftrag erhalten, in der Sache L. ./. R. tätig zu werden und ein Urteil des LG Nürnberg zu überprüfen. Hierfür schulde der Beklagte die unter dem 26.07.2006 abgerechneten 1.906,58 EUR. Im Juni 2006 sei er in der Strafsache L. tätig geworden, wofür ihm die mit Rechnung vom 03.11.2006 geltend gemachten Gebühren in Höhe von 1.409,40 EUR zuständen. Schließlich sei er unter dem 08.06.2006 vom Beklagten bevollmächtigt worden, gegen den Schuldner des Beklagten S. tätig zu werden, was er bis September 2006 getan habe, so dass er die unter dem 15.06.2006 in Rechnung gestellten anwaltlichen Gebühren in Höhe von 13.581,21 EUR beanspruchen könne.

Der Kläger behauptet weiter, er habe vom Beklagten im Dezember 2007 Arbeitsunterlagen erhalten und den Beklagten über ein eventuelles Vorgehen gegen die P. Klinik, in der der Beklagte angestellt war und Belegbetten gehabt hatte, anwaltlich beraten und das Ergebnis der rechtlichen Überprüfung in einem Schreiben vom 15.10.2008 dargestellt. Hierfür sei vom Beklagten eine Vergütung von 909,99 EUR zu zahlen, die entsprechend der Vergütungsrechnung vom 15.10.2008 nach einem Gegenstandswert von 100.000,00 EUR zu berechnen sei. Dieser Gegenstandswert sei, so der Kläger, extrem niedrig angesetzt, weil der Beklagte von einem Millionenschaden gesprochen habe, der ihm durch die Vertragskündigung der Klinik entstanden sei. Der Beklagte habe pro Jahr mehrere tausend Patienten durch die Klinik geschleust. Der Kläger legt die Vergütungsrechnung Nr. 0800265 vom 15.10.2008 vor, mit der "nur 0,55 Vergütung für Beratung, Gutachten, Mediation § 34 I 2 RVG" abgerechnet wird.

Der Kläger macht zudem mit der Vergütungsrechnung vom 12.02.2009 über 1.106,22 EUR eine Terminsgebühr für eine Besprechung mit der Rechtsanwältin des Beklagten am 14.11.2008 geltend, bei der sie nach einer Lösung gesucht hätten, wie der Beklagte den geschuldeten Betrag an den Kläger zahlen könne.

Der Kläger meint, dass in dem Schreiben vom 14.02.2007, in dem der Beklagte ihm mitgeteilt habe, er solle sein Geld bekommen, ein Anerkenntnis zum Grund und zur Höhe der geltend gemachten Ansprüche liege.

Am 09.08.2006 ist über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren vor dem AG H. eröffnet worden. Der Kläger hat hiervon erst nach Beendigung seiner Tätigkeit für den Beklagten erfahren.

Hierzu meint der Kläger, dass er als Neugläubiger anzusehen sei, weil die Auftragserteilung innerhalb der so genannten "insolvenzverschleppten" Zeit erfolgt sei. Der Beklagte sei bereits seit Mitte 2005 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen.

Der Beklagte war zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 10.06.2010 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung sowie in der Verhandlung selbst hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass die Klage wohl keine Aussicht auf Erfolg hat.

Der Kläger beantragt,

den Erlass eines Versäumnisurteils mit dem Inhalt, den Beklagten zu verurteilen,

1. an ihn 21.966,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;

2. an ihn darüber hinaus 909,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf ab dem 30.10.08 zu bezahlen;

3. an ihn weitere 1.106,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2009 zu bezahlen.

Die Insolvenzakten des AG H. waren beigezogen.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 331 Abs. 2 ZPO war die Klage mangels Schlüssigkeit durch so genanntes "unechtes Versäumnisurteil" abzuweisen.

Die Klage ist hinsichtlich des Klagantrags zu 1) unzulässig und hinsichtlich der Klagforderungen zu 2) und 3) unbegründet.

I.

Hinsichtlich des Klagantrags zu 1) fehlt es an der Prozessführungsbefugnis des Beklagten.

1.

Aus den Akten des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - H. ergibt sich, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten noch nicht abgeschlossen ist.

Nach § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Neben dem Insolvenzverfahren können nicht Prozesse einzelner Gläubiger laufen; vielmehr müssen Insolvenzgläubiger ihre Forderungen auf Befriedigung aus der Masse durch Anmeldung und Prüfung im Insolvenzverfahren verfolgen. Auch ein Verzicht des Insolvenzgläubigers auf Teilnahme am Insolvenzverfahren berechtigt ihn nicht zur Erhebung einer Klage gegen den Schuldner (Frankfurter Kommentar zur InsO-App, 5. Aufl., § 87 Rn. 1, 3). Der Schuldner ist für die Masse betreffende Klagen nicht mehr als prozessführungsbefugt anzusehen (so auch AG Hamburg, Beschluss vom 17.07.2006 - 644 C 143/06 - Rn. 6 zitiert nach juris m.w.N.). Gemäß § 80 InsO verliert der Schuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Befugnis, über das massezugehörige Vermögen zu verfügen. Die mit dem Klagantrag zu 1) geltend gemachten Forderungen fallen in die Insolvenzmasse.

Nach § 38 InsO sind Insolvenzgläubiger alle persönlichen Gläubiger, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Unter "Begründung" des Anspruchs ist das Entstehen der Forderung "ihrem Rechtsgrund nach" zu verstehen. Die Begründung vor Verfahrenseröffnung bedeutet damit nicht, dass die Forderung dann schon vollwirksam entstanden und durchsetzbar gewesen sein muss. So kommt es, wie sich aus § 41 Abs. 1 InsO ergibt, nicht auf die Fälligkeit der Forderung an.

Die Tätigkeiten des Klägers, die Grundlage seiner mit dem Klagantrag zu 1) geltend gemachten Gebührenansprüchen waren, wurden zwischen Mai und September 2006 ausgeführt. Soweit der Vergütungsanspruch auf seiner anwaltlichen Tätigkeit vor dem 09.08.2006 beruht, war dieser Anspruch daher - wenn auch noch nicht fällig - bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet. Soweit der Kläger bereits vor dem 09.08.2006 beauftragt war und seine anwaltliche Tätigkeit sodann aus Unkenntnis der Insolvenzeröffnung fortgesetzt hat, ist er ebenfalls Insolvenzgläubiger, so dass sämtliche Forderungen des Klagantrags zu 1) als Insolvenzforderungen anzusehen sind. Und zwar erlischt nach §§ 116, 115 Abs. 1 InsO der anwaltliche Geschäftsbesorgungsvertrag kraft Gesetzes mit der Verfahrenseröffnung; gemäß §§ 116, 115 Abs. 3 S. 1 InsO gilt jedoch aufgrund der Unkenntnis des Klägers von der Eröffnung das Mandatsverhältnis als fortbestehend. Nach §§ 116, 115 Abs. 3 S. 2 InsO ist der Kläger hinsichtlich der Vergütungsansprüche als Insolvenzgläubiger anzusehen (vgl. Frankfurter Kommentar-Wegener, a.a.O., § 115 Rn. 17; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht-Ahrendt, 3. Aufl., § 115 Rn. 12).

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 21.966,46 EUR aus § 823 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten.

Die Verletzung eines Schutzgesetzes i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB durch den Beklagten ist nicht ersichtlich. Soweit sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsführers einer GmbH bezieht (BGH, Urteil vom 07.07.2003 - II ZR 241/02; BGH, Urteil vom 25.07.2005 - II ZR 390/03), war dort eine auf das negative Interesse gerichtete Haftung des Geschäftsführers einer Gesellschaft aufgrund schuldhaft verspätet gestellten Insolvenz- bzw. Konkursantrags bejaht worden. Abgesehen davon, dass vorliegend keine ausreichend konkreten Tatsachen vorgetragen sind, die ein Verschulden des Beklagten begründeten, ist hier auch kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB verletzt. § 64 GmbH bzw. jetzt § 15a InsO begründen die Pflicht, innerhalb einer bestimmten Zeit Insolvenzantrag zu stellen, nur für den Geschäftsführer einer GmbH bzw. juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Bei Vermögensmassen natürlicher Personen gibt es Antragspflichten nur in speziellen, hier nicht einschlägigen Fällen (wie z.B. hinsichtlich des Nachlasses; vgl. Hamburger Kommentar, a.a.O. § 15 a Rn. 6 f., § 35 Rn. 192). Da eine Antragspflicht des Beklagten im vorliegenden Fall nicht ersichtlich ist, kommt eine auf deren Verletzung beruhende Schadensersatzpflicht nach § 823 BGB nicht in Betracht. Auf die Frage, wann Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hat, kommt es daher nicht an.

II.

Die den Klaganträgen zu 2) und 3) zugrunde liegenden Forderungen sind nicht begründet.

1.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten zurzeit kein Anspruch auf Zahlung von 909,99 EUR aus §§ 611, 612, 675 Abs. 1 BGB i.V.m. Anwaltsvertrag zu.

Der geltend gemachte Gebührenanspruch betrifft anwaltliche Tätigkeiten des Klägers im Zeitraum Dezember 2007 bzw. Januar 2008 bis Oktober 2008, mithin ist insoweit das Mandatsverhältnis erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden. Insoweit ist der Kläger als Neugläubiger prozessführungsbefugt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.12.2007 - 7 W 104/07 - Rn. 7 zitiert nach juris; OLG Celle, Urteil vom 07.01.2003 - 16 U 156/02 - Rn. 6 zitiert nach juris).

Der Vergütungsanspruch ist jedoch mangels ordnungsgemäßer Abrechnung nicht fällig. Zum Einen ist trotz entsprechenden Hinweises der Kammer der Gegenstandswert, nach dem die Gebühr berechnet worden ist, nicht substantiiert dargelegt. Allein, dass der Beklagte von einem Millionenschaden gesprochen habe, ersetzt nicht die Darlegung konkreter Tatsachen, die auf einen Gegenstandswert von 100.000,00 EUR schließen lassen. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der Beklagte zwei Stationen mit 60 Betten belegt hatte, ergibt sich mangels weiterer Informationen über Abrechnungsverfahren, Umsätze, Erlöse, Gewinne u.ä. hieraus keine Schätzgrundlage eines etwaig entstandenen Schadens. Zum Anderen ist der Kläger verpflichtet, in seiner Gebührenrechnung die Tätigkeit entsprechend des Vergütungsverzeichnisses konkret anzugeben, um dem Mandanten die Möglichkeit zu geben, die Abrechnung nachzuvollziehen und deren Berechtigung zu überprüfen (vgl. Entscheidung der Kammer LG Hannover, Urteil vom 16.03.2009 - 20 S 35/08). Die vorgelegte Rechnung deckt sich nicht mit dem Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner für den Beklagten entfalteten Tätigkeit: der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag keine Mediation durchgeführt.

2.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.106,22 EUR aus §§ 280, 286 BGB.

Voraussetzung für eine Ersatzpflicht des Beklagten wäre, dass dieser sich mit der Zahlung der Anwaltsgebühren in Verzug befunden hätte. Da jedoch im Zeitpunkt der Besprechung am 14.11.2008 die Vergütungsansprüche nicht fällig waren bzw. nur als Insolvenzforderung gegen den Insolvenzverwalter bestanden, kommt mangels Hauptforderung eine Erstattung der Terminsgebühr als Verzugsschaden nicht in Betracht. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf das Schreiben vom 14.02.2007, das er als Anerkenntnis auslegt, berufen, weil sich dies auf die erst später entstandene Besprechungsgebühr nicht beziehen kann.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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