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Beschluss: Auskunftsrechte eines Aktionärs in der Hauptversammlung

Landgericht Hannover

Geschäfts-Nr.:

23 O 90/09

Verkündet lt. Protokoll

am 19. August 2009

, Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Beschluss

In dem gesellschaftsrechtlichen Auskunftsverfahren

,

Antragsteller,

gegen

,

Antragsgegnerin,

Prozessbevollmächtigte: ,

hat die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung am 22. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht und die Handelsrichter und beschlossen:

Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft darüber zu geben, welchen quantitativen Anteil die auf Mandate der -Gruppe zurückzuführenden Honorareinkünfte von Rechtsanwalt an dessen Einkünften aus seiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt im übrigen gehabt haben und haben.

Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt die Antragsgegnerin selbst.

Die sofortige Beschwerde wird zugelassen.

Der Geschäftswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

A.

1.

Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin. Er hat an der Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 23. April 2009 teilgenommen, wobei er durch Herrn vertreten wurde. Herr hat für den Antragsteller in der Hauptversamm¬lung am 23. April 2009 mündlich mehrere Fragen gestellt. Welchen Wortlaut genau die Fragen gehabt haben, wird vom Antragsteller und von der Antragsgegnerin nicht überein¬stimmend dargestellt.

Der Antragsteller bezieht sich für den Wortlaut auf den Inhalt der Niederschrift über die Hauptversammlung der Antragsgegnerin (auszugsweise Anlage AG2; Nr. 150 der Urkundenrolle Jahrgang 2009 des Notars , Hannover). Dort heißt es betreffend die Fragen Fragen des Antragstellers:

"Herr , bitte machen Sie Angaben zum Umfang Ihrer geschäftlichen Beziehung zur -Gruppe und einzelnen dieser nahe¬stehenden Personen. Gegen Sie mir eine Größenordnung für den Umsatz an, den sie als verantwortlicher Partner bei & für das Mandat mit der -Gruppe generieren. Geben Sie an, dass wievierlgrößte Mandat für Sie persönlich und & die Mandatsbeziehung zur -Gruppe oder einzelnen der nahestehenden Personen darstellt. Argregieren Sie, wenn nötig. Machen Sie auf irgendeine Weise deutlich, inwiefern Sie gegenüber Frau und/oder der -Gruppe und der ihr nahstehenden Personen wirtschaftlich abhängig sein könnten oder nicht. Ich frage dies im Hinblick auf einen möglichen dauerhaften Interessenkonflikt, mache aber auch ganz allgemein meine Wahlentscheidung bezüglich Ihrer Person von dieser Auskunft abhängig. Geben Sie mir in diesem Zusammenhang bitte irgendeine Information."

Die Antragsgegnerin bezieht sich für den Wortlaut der von Herrn für den Antragsteller gestellten Fragen auf ein Typoskript der vorläufigen stenographischen Aufzeichnung des Sprechbeitrags des Vertreters des Antragstellers (Anlage AG1). Danach sollen die Fragen folgenden Wortlaut gehabt haben:

Frage Nr. 60

"Frage:

Herr , erläutern Sie uns bitte Ihre Vertragsbeziehungen zur -Gruppe und zu einzelnen dieser Gruppe zuzurechnenden Personen.

Seit wann sind Sie für die -Gruppe tätig?

Geben Sie uns Anhaltspunkte für die relative und die absolute Höhe Ihrer finanziellen Interessen an einer weiteren Zusammenarbeit mit der -Gruppe.

Sehen Ihre vertraglichen Verpflichtungen so aus, dass eine Hinterfragung oder Ablehnung eines Geheißes der -Gruppe eine Vertragsverletzung darstellen würde, oder wäre es bloß unfassbar ungeschickt, wenn Sie so handelten?

Antwort:

Herr , sie haben an mich eine Reihe von Fragen gerichtet. Dazu das Folgende.:

Wie Sie wissen, besteht zwischen meiner Sozietät und der -Gruppe ein anwaltliches Mandatsverhältnis, dass ich als verantwortlicher Partner führe. Für die -Gruppe bin ich seit mehr als zehn Jahren tätig. Ein persönliches finannzielles Interesse an dieser Mandatsbeziehung habe ich, abgesehen von meiner Gewinnbeteiligung als Partner von & , nicht. Rechtsanwälte unterliegen, wie Sie wissen, nicht dem Geheiss ihrer Mandanten. Ich kann Ihnen also bestätigen, dass ich die Interessen der AG im Rahmen meiner Aufsichtsratstätigkeiten wahren werde."

Frage Nr. 133

"Frage:

Herr , das wievielt größte Mandat ist Ihr Mandat bei ?

Mir geht es darum, eine Größenordnung zu erfahren, wie wichtig das Mandat für Sie ist.

Dabei würde mir die Angabe einer Größenordnung von z.B. 5, 10 oder 15 Millionen Euro reichen.

Antwort:

Das Mandat ist kein persönliches Mandat von mir sondern von & . & gibt zu finanziellen Aspekten einzelner Mandanten und Mandaten grundsätzlich keine öffentlichen Auskünfte."

Frage Nr. 155

"Frage:

Bitte geben Sie die Größenordnung des Umsatzes von & bekannt.

Sie können uns auch sagen, ob das Mandat mit Ihr größtes, Ihr zweitgrößtes oder vielleicht auch Ihr achtzehntgrößtes ist.

Bitte prüfen Sie, ob diese Auskunft gegen Ihre Hausregel verstößt und ob Sie nicht eine Möglichkeit sehen, diese Frage zu beantworten.

Ich halte Sie aufrecht.

Antwort:

Auch nach nochmaliger Prüfung kann ich Ihnen sagen, dass & keinerlei Auskunft zu Ihren Mandaten und Mandanten gibt - das gilt auch für die entsprechenden Umsätze."

Frage Nr. 156

"Frage:

Zu Nr. 5.5.3 des Corporate Governance Kodex: Bei Herrn besteht ein Interessenkonflikt. Er muss unabhängig sein, weil sonst die Interessen der Investorenvereinbarung nicht eingehalten werden. Herr kann eigentlich gar nicht erst vorgeschlagen werden; denn ein Kanditat, der sein Mandat danach wieder niederlegen muss, macht keinen Sinn. Sie hätten aber in der Einladung schreiben können: Wir schlagen Herrn vor und lösen uns von unserer bisherigen Erklärung, dass wir uns an Nr. 5.5.3 des Corporate Governance Kodex halten. - Das hätte für die Aktionäre eine Warnfunktion gehabt. Damit ist Ihre Wahl anfechtbar.

Antwort:

Das Landgericht Hannover hat in seiner Entscheidung im März festgestellt, dass kein dauernder Interessenkonflikt in der Person von Herrn vorliegt, der dessen Bestellung hindert. Hiernach ist auch eine Einschränkung der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG nicht angezeigt."

Frage Nr. 161

"Frage:

Herr , ich habe Sie auch nach der relativen Größe Ihrer einzelnen Mandate gefragt. Geben Sie uns hierzu bitte eine Antwort.

Antwort:

Es bleibt dabei: Ich kann Ihnen keine Auskunft zu Mandanten und Mandaten von & und den mit diesen verbundenen Honoraren geben. Das gilt für absolute wie für relative Angaben."

Der Antragsteller erachtet die von ihm durch Herrn gestellten Fragen als nicht beantwortet.

Herr hat deshalb in der Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 23. April 2009 für den Antragsteller Widerspruch zur Niederschrift des beurkundenden Notars erhoben. Der Notar hat den Fragetext nach den Angaben von Herrn in das Hauptversammlungsprotokoll aufgenommen und dabei folgende Zusätze hinzugefügt:

"Um 18.55 Uhr erschien Herr und legte Widerspruch gegen alle Beschlüsse für die Stimmkartenblöcke Nr. … ein.

Um 19.05 Uhr meldete sich noch einmal Herr für die von ihm vertretenen Aktionäre und behauptete, dass er folgende Frage gestellt habe, die noch nicht beantwortet sei: …

… (es folgt der oben in Absatz A.1. Absatz 3 wiedergegebene Text in "…")

Herr hatte zuvor sinngemäß den oben dargestellte(n) Sachverhalt angefragt, aber keine mit dem jetzt zu(r) Protokoll gegebenen Wortlaut entsprechende Frage zur Niederschrift des Notars angegeben.

Der Vorsitzende hatte zuvor bereits darauf hingewiesen, dass das Mandat " " nicht ihm persönlich, sondern der … Sozietät erteilt sei, der er als Partner angehöre und diese Sozietät grundsätzlich über keine Details zu Art und Umfang der Mandantenbeziehungen öffentlich informiere."

2.

Mit seinem am 7. Mai 2009 - zunächst als Telefax - bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage (ASt1) hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung über sein Auskunftsrecht gestellt.

Der Antragsteller beantragt,

der Vorstand der Antragsgegnerin ist verpflichtet, dem Antragsteller zu folgenden Fragen Auskunft zu geben:

Machen Sie Angaben zum Umfang der geschäftlichen Beziehung des Aufsichts¬ratsvorsitzenden, Rechtsanwalt , zur -Gruppe und einzelnen dieser nahe stehenden Personen. Geben Sie Anhaltspunkte für die relative (im Vergleich zu anderen Mandanten) und absolute Höhe der finanziellen Interessen des Aufsichtsratsvorsitzenden an einer Zusammenarbeit mit der -Gruppe. Geben Sie eine Größenordnung für den Umsatz an, den der Aufsichts¬ratsvorsitzende bzw. seine Sozietät aus dem Mandat mit der -Gruppe bei & erzielt. Geben Sie an, dass wievielt größte Mandat für den Aufsichtsratsvorsitzenden persönlich und für & die Mandatsbe¬ziehung zur -Gruppe oder einzelnen der nahe stehenden Personen darstellt; insoweit kann, soweit nötig, argregiert werden.

Der Antrag ist der Antragsgegnerin am 16. Mai 2009 zugestellt worden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Auskunftserzwingungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin meint, die vom Antragsteller in der Hauptversammlung am 23. April 2009 gestellten Fragen seien durch die ihm gegebenen Antworten vollständig und hinreichend beantwortet worden. Ihr Vorstand habe die Antworten auf die ohnehin direkt an Herrn gerichteten Fragen des Antragstellers delegieren dürfen und dies teilweise auch getan. Aus den gegebenen Antworten ergebe sich, dass sich Herr zu weitergehenden Informationen mit Rücksicht auf seine berufliche Verschwiegenheitspflicht als Rechtsanwalt und als Partner der Rechtsanwaltskanzlei & gehindert gesehen habe. Da die Prüfung der ersten drei Fragen des Antragstellers an die während der Hauptversammlung im Hintergrund teilnehmenden Berater der -Gruppe deligiert und die dann während der Hauptversammlung gegebenen Antworten von diesen vorbereitet worden seien, bestehe auch kein hinreichender Grund für die Annahme, dass die -Gruppe Herrn von dessen rechtsanwaltlicher Verschwiegenheitspflicht habe entbinden wollen.

3.

Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin haben eine Erklärung nach § 161 AktG dahin abgegeben, dass sie den Empfehlungen der "Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex" ohne Einschränkungen entsprechen. Diese Erklärung wurde bis zur Hauptversammlung am 23. April 2009 nicht eingeschränkt.

B.

1.

Der Antrag vom 7. Mai 2009 auf gerichtliche Entscheidung über das Auskunftsrecht des Antragstellers ist zulässig (§§ 132 Abs. 2, 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der Antragsteller erfüllt die persönlichen Voraussetzungen für die Auskunftsberechtigung und hat sowohl in der Hauptversammlung als auch bei der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens die notwendigen Förmlichkeiten beachtet und die bestehenden Fristen gewahrt.

2.

Auf das gerichtliche Verfahren ist das Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden (§§ 132 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 AktG).

Über den Antrag ist zur Gewährung umfassenden rechtlichen Gehörs über alle entscheidungserheblichen Punkte (Artikel 103 Abs. 1 GG) und zur größtmöglichen Vergewisserung über die maßgebliche Tatsachenbasis (§ 12 FGG) mündlich verhandelt worden.

Die mündliche Verhandlung war öffentlich, obwohl mündliche Verhandlungen in Verfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit wegen der fehlenden Verweisungsregelung in § 8 FGG auf § 169 Satz 1 GVG im Regelfall nicht öffentlich sind. Gerichtliche Verfahren über das Auskunftsrecht der Aktionäre von Aktiengesellschaften haben jedoch individuelle zivilrechtliche Ansprüche zum Gegenstand. Deshalb ist in solchen Verfahren die mündliche Verhandlung - wenn sie stattfindet - öffentlich zu führen (Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950).

C.

Der Antrag des Antragstellers auf weitere Auskunft durch die Antragsgegnerin ist begründet.

Die vom Antragsteller gestellten Fragen sind in ihrem maßgeblichen Kern unbeantwortet geblieben. Weil der Antragsteller ein Auskunftsrecht hatte und hat, muss die Antragsgegnerin die Auskunft noch geben. Sie muss dabei das Verfahren beachten und umsetzen, das sie bereits in der Hauptversammlung hätte einhalten müssen, um dem Informationsrecht des Antragstellers die diesem zukommende Beachtung zu sichern und effektiv wirksam werden zu lassen.

1.

Das Recht des Aktionärs, Informationen über die Angelegenheiten der Gesellschaft, an der er beteiligt ist, zu erhalten, ist ein wesentlicher Bestandteil des Mitgliedschafts¬rechts. Es gilt als "mitgliedschaftsrechtliches Grundrecht"; denn Informationen sind für den Anteilsinhaber eine unerlässliche Voraussetzung für die Wahrnehmung seiner korporativen Mitgliedschaftsrechte. Nur ein über die Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichteter Aktionär kann die ihm obliegenden Aufgaben im Rahmen des gemeinsamen Gesellschaftszwecks erfüllen. Zugleich korrespondiert das Informationsrecht aber auch mit den vermögensrechtlichen Ansprüchen, die die Anteilsbeteiligung vermittelt. Die Dispositionsfreiheit über den Eigentumsgegen¬stand, die grundrechtlichen Schutz genießt, liefe praktisch leer, wenn sich ein Aktionär kein Bild mehr über das Unternehmen, an dem er beteiligt ist, machen könnte. Der Schutz des Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz umfasst deshalb auch das Recht eines Aktionärs, Informationen über seine Gesellschaft zu erhalten. Davon gehen sowohl das Bundes¬verfassungsgericht (Beschluss vom 20.09.1999 - 1 BvR 636/95) als auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 09.02.1987, II ZR 119/86; BGHZ 101, 1, 15) und verschiedene Obergerichte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.07.1991, 19 W 2/91, WM 91, 2149 ff.; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.09.2006, 20 W 55/05, AG 2007, 401 f) aus. Die genannten Grundsätze entsprechen auch der Überzeugung der Kammer vom Inhalt und Umfang sowie von der Bedeutung des gesellschafter¬lichen Auskunftsrechts im Aktienrecht.

2.

Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptver¬sammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist.

Diese zeitliche und sachliche Einschränkung des Auskunftsrechts auf die Hauptver¬sammlung der Aktiengesellschaft und auf die Gegenstände der Beschlussfassung in dieser Hauptversammlung begrenzen das Informationsrecht des Aktionärs erheblich. Die Einschränkung findet ihren gerechtfertigten Grund in der Organisationsform der Gesellschaft, die den unterschiedlichen Gesellschaftsorganen jeweils nur bestimmte Aufgaben und Befugnisse zuordnet, wobei die Rechte der Aktionäre in den Ange¬legenheiten der Gesellschaft auf die Hauptversammlung beschränkt sind (§ 118 Abs. 1 AktG), sich dadurch allerdings auch und insbesondere auf die Beschlussgegenstände beziehen, die nach dem Gesetz (§ 119 Abs. 1 AktG) und der Satzung der Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung übertragen sind.

3.

Zum Kreis dieser Angelegenheiten gehört auch die Bestellung der Mitglieder von Aufsichtsräten der Aktiengesellschaft (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG) durch Ausübung des Bestellungswahlrechts, mithin der elektoralen Legitimation der Aufsichtsratsmit¬glieder, soweit dieses Wahlrecht nicht durch das Gesetz (§ 101 Abs. 1 AktG) oder nicht durch die Satzung eingeschränkt ist (§ 101 Abs. 2 AktG). Insoweit und in dieser Hinsicht besteht die Gesetzesstrenge des Aktiengesetzes (§ 23 Abs. 5 Satz 1 AktG).

4.

Damit sind Informationsverlangen von Aktionären in der Hauptversammlung betreffend die Person von Wahlbewerbern für das Amt des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft stets als Angelegenheiten der Gesellschaft anzusehen, wenn die Wahl von Mit¬gliedern des Aufsichtsrates Gegenstand der Tagesordnung ist.

Wie stets bei der Ausübung von Fragerechten sind gerade auch personenbe¬zogene Informationsbegehren mit der gebotenen Sachbezogenheit und Sachlichkeit sowie mit dem unerlässlichen Respekt vor der Person der Wahlbewerber, also mit Finger¬spitzengefühl und Augenmaß vorzubringen und zu formulieren. Welche Aspekte dabei im einzelnen zulässiger Weise angesprochen und beleuchtet werden können, ist in erster Linie eine Angelegenheit des Einzelfalls. Für verallgemeinernde Aussagen hierzu besteht im vorliegenden Verfahren auch keine Notwendigkeit. Denn sicher ist jedenfalls, dass Tatsachen angesprochen werden können, also personenbezogene Auskünfte erbeten werden dürfen, die sich auf die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Übernahme des Amtes beziehen, in das Wahlbewerber elektoral bestellt werden sollen und wollen.

Stehen Wahlen zum Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft an, so kann es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass personenbezogene Fragen jedenfalls auf die Tatsachen zielen können, die § 105 AktG als Voraussetzungen für die Amtsübernahme bestimmt. Bei Aktiengesellschaften, für die Vorstand und Aufsichtsrat Erklärungen nach § 161 AktG abgegeben haben, wonach sie die Empfehlungen der Regierungs¬kommission Deutscher Corporate Governance Kodex uneingeschränkt beachten werden, kommen als jedenfalls zulässige Themen personenbezogener Informationsbegehren von Aktionären alle die tatsächlichen Umstände hinzu, die durch die Regierungskommission ausdrücklich zu den Grundsätzen guter Unternehmens¬führung gezählt werden und deshalb in den Bestand der Empfehlungen aufgenommen worden sind.

5.

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft, dessen Pflicht es ist, das Auskunftsrecht der Aktionäre zu erfüllen (§ 131 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG), hat dabei auf die effektive Verwirklichung der Rechte der Aktionäre bedacht zu sein und hinzuwirken. Wie der Vorstand diese Pflicht erfüllt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das in vollem Umfang der zeitlich nachgelagerten rechtlichen Überprüfung durch das von den Aktionären anrufbare Gericht unterliegt. Bei der Prüfung ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Erfüllung von Informationsbegehren in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft engen zeitlichen Beschränkungen unterliegt, die dem unter solchen Umständen sachlich und personell Möglichen praktische Grenzen setzen. Es muss bei der Formulierung der Standards sorgfältig beachtet werden, dass das Ausmaß der Pflichten für den Vorstand der Aktiengesellschaft nicht überspannt und damit letztlich Unzumutbares von ihm verlangt wird.

6.

Aus § 131 Abs. 3 Satz 2 AktG ergibt sich die klare und eindeutige gesetzliche Anordnung, dass aus anderen als den in § 131 Abs. 3 Satz 1 (Nrn. 1. - 7.) AktG genannten Gründen ein zulässiges (§ 131 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG) Auskunftsbe¬gehren nicht verweigert werden darf.

Wie bei jeder Ausnahme sind auch hier die tatsächlichen Voraussetzungen für die einzelnen Verweigerungstatbestände im Zweifel eng auszulegen. Für den Verweigerungsgrund nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG (strafbewehrte Geheimhaltungspflichten) gilt, dass die Auskunftsverweigerung hiernach nur dann gerechtfertigt ist, wenn die strafbewehrte Geheimhaltungspflicht den Vorstand - die Mitglieder des Vorstands - selber trifft, wenn also in ihrer Person die tatsächlichen Voraussetzungen des Verpflichtungsgrundes verwirklicht werden. Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Vorstand die ihm primär selbst obliegende Auskunftspflicht auf Dritte delegieren kann, die in anderer rechtlicher Hinsicht und aufgrund anderer rechtlicher Zusammenhänge Adressaten von Geheimhaltungspflichten sind. In derartigen Fällen kann schon die Delegation der Auskunftspflicht (§ 131 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG) auf solche Auskunftsvertreter die Verwirklichung des Auskunftsrechtes vereiteln und damit bei entsprechender Ermessensausübung durch den Vorstand der Aktiengesellschaft fehlerhaft sein.

D.

Für den Wortlaut des von Herrn für den Antragsteller in der Hauptversamm¬lung der Antragsgegnerin am 23. April 2009 mündlich vorgebrachten Informationsbegehrens und wegen der daraufhin von Rechtsanwalt für den Vorstand der Antragsgegnerin gegebenen Auskunft ist von dem Text auszugehen, den der Verhandlungsnotar in seine Niederschrift über die Hauptversammlung der Antragsgegnerin aufgenommen hat.

1.

Nach § 131 Abs. 5 AktG hat jeder Aktionär, dem in der Hauptverhandlung eine Auskunft verweigert worden ist, das Recht, dass seine Frage und der Grund, aus dem die Auskunft verweigert worden ist, in die Niederschrift über die Verhandlung aufgenommen wird.

Das Protokollierungsantragsrecht des Aktionärs ist - solange es während des Verlaufs der Hauptversammlung gestellt wird - zeitlich nicht beschränkt. Insbesondere muss der Antrag nicht bereits vor oder unmittelbar im Anschluss an die Geltendmachung des Auskunftsbegehrens gestellt werden. Es ist auch nicht erforderlich, den Antrag nach § 131 Abs. 5 AktG sofort dann zu stellen, wenn die Information gegeben worden ist, die der Aktionär als unzureichend wertet oder dann, wenn sich für ihn der Eindruck verfestigt, die Auskunft werde nicht gegeben oder wenn sie verbal ausdrücklich abgelehnt, also verweigert worden ist. Alle diese sachlichen und zeitlichen Einschränkungen des Protokollierungsantragsrechts aus § 131 Abs. 5 AktG könnten den kommunikativen Fluss der Hauptversammlung nachhaltig beein¬trächtigen und in eine Debatte oder gar einen Streit über Formulierungen und Protokollierungsfragen abgleiten lassen. Daran kann niemandem gelegen sein und dies verlangt das Gesetz auch nicht.

Andererseits ergibt sich daraus nicht, dass durch eine den Verhandlungsfortgang möglichst wenig beeinträchtigende notarielle Protokollierungsbegleitung der Haupt¬versammlung das gesetzliche Protokollierungsantragsrecht des Aktionärs in der Praxis bedeutungs- und wirkungslos gemacht werden kann und der Aktionär dadurch gezwungen wird, sich im Nachhinein mit dem Unternehmen vielleicht auch noch streitig darüber auseinanderzusetzen, was er selbst und ihm gegenüber andere gesagt oder nicht gesagt haben und welchen Wortlaut genau der dabei verwendete mündliche Vortrag gehabt hat.

Dies ist insbesondere beim aktienrechtlichen Auskunftsrecht von Bedeutung, weil dieses dadurch geprägt ist, das solche Informationsbegehren mündlich geäußert werden (müssen) und auch die gegebenen Antworten nur verbal, also ebenfalls mündlich gegeben (zu) werden (brauchen). Diesen Besonderheiten muss der Verhandlungsnotar Rechnung tragen und deshalb bei seiner Protokollierung ein Verfahren beachten, das unter den obwaltenden Umständen die gesetzlichen Rahmenbedingungen beachtet und gleichwohl praktisch vernünftig und mit vertretbarem Aufwand umsetzbar ist. Der Urkundsnotar muss in jedem Falle sicher¬stellen, dass Anträge nach § 131 Abs. 5 AktG, die während der Hauptversammlung gestellt werden, entsprechend den gesetzlichen Anforderungen auch tatsächlich umgesetzt werden und zwar so, dass sich der Aktionär mit dem Unternehmen oder mit Dritten nicht in eine Diskussion über das Gesagte verstricken lassen muss.

Eine diesen Anforderungen genügende Protokollierungspraxis ist durch unterschied¬liche Vorgehens- und Verfahrensweisen möglich. Sie im einzelnen auszuwählen und umzusetzen, liegt im pflichtgemäßen Amtsführungsermessen des jeweiligen Verhandlungsnotars.

2.

Die Kammer hat auch und gerade wegen ihrer Kenntnis von der Person und der fachlichen Kompetenz des in der Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 23. April 2009 amtierenden Notars keinen Zweifel daran, dass dieser das Protokollierungs¬antragsrecht des Antragstellers nicht übergehen wollte oder dass er die Rechtsauffassung vertreten haben sollte - die falsch wäre -, der Antragsteller habe seinen Protokollierungsantrag verspätet vorgebracht, weswegen dieser im Ergebnis eigentlich abzu¬lehnen sei.

Dass der beurkundende Verhandlungsnotar von einer unter seiner Verantwortung stehenden vorläufigen stenographischen oder technischen Aufzeichnung der gesamten Sprachbeiträge in der Hauptversammlung abgesehen hat, um sie gegebenenfalls von Fall zu Fall bei bestehendem Anlass wegen gestellter Protokollierungsanträge abrufen und in die Verhandlungsniederschrift aufnehmen zu können, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Der Notar ist für die Hauptversammlung am 23. April 2009 offenbar auch nicht den Weg gegangen, bei auftretendem Protokollierungsbedarf von Wortbeiträgen deren vorsorgliche vorläufige Aufzeichnung durch die jeweiligen Sprecher autorisieren zu lassen.

Der Notar ist stattdessen den naheliegenden und aufwandsschonenden Weg gegangen, bei einem Antrag nach § 131 Abs. 5 AktG den antragstellenden Aktionär um dessen nach bestem Wissen und Gewissen noch präsente Erinnerung vom Fragewortlaut zu bitten, diese mit seiner, des Notars, eigenen präsenten Erinnerung des Wortlauts und des Wortlauts der gegebenen Antwort zu verbinden und alles dies unter präziser Beschreibung der tatsächlichen äußeren Umstände und Anlässe für die Protokollierung zu notariellem Protokoll zu nehmen und in die Verhandlungsniederschrift aufzunehmen.

Dieses Vorgehen begegnet keinen Bedenken. Es reicht als Basis für die Feststellung der tatsächlichen Grundlage der im vorliegenden Verfahren zu treffenden Entscheidung aus, bestimmt und begrenzt dann allerdings auch das, was dann und dabei für die Entscheidung maßgeblich ist.

3.

Bei den Textfassungen der von Herrn für den Antragsteller gestellten Fragen und den Antworten von Rechtsanwalt und des Vorstandsvorsitzenden der Antragsgegnerin auf diese Fragen nach dem Inhalt der von der Antragsgegnerin vorgelegten Typoskripte handelt es sich - wie die Antrags¬gegnerin auf Nachfrage erklärt hat - nicht um Anlagen zur notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung am 23. April 2009, sondern um Übertragungen aus stenographischen Aufzeichnungen von Sprachbeiträgen während der Hauptversammlung. Die Kammer muss danach davon ausgehen, dass die vorläufigen Aufzeichnungen und die Übertragungen nicht auf Veranlassung und unter der Ver¬antwortung des amtierenden Verhandlungsnotars erstellt worden sind.

Weder die Antragsgegnerin noch der Antragsteller haben behauptet, dass das notarielle Protokoll im Hinblick auf das Informationsbegehren des Antragstellers in Ansehung seines Protokollierungsantrages nach § 131 Abs. 5 AktG inhaltlich falsch sei. Es spricht auch nichts dafür, dass die Antragsgegnerin die von ihr begonnene Diskussion über den tatsächlichen Wortlaut der von Herrn für den Antragsteller gestellten Fragen und wegen der darauf gegebenen Antworten als Beanstandung des Inhalts der notariellen Verhandlungsniederschrift gewertet wissen will. Wäre dem so, könnten sich daraus Bedenken mit Blick auf § 241 Nr. 2 AktG ergeben.

4.

Die Erörterung dieser Fragen in der mündlichen Verhandlung durch die Kammer hat nicht ergeben, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Vorwurf machen will, in diesem Verfahren ein Auskunftsbegehren zu verfolgen, das er - was Voraussetzung für die Zulässigkeit seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung über sein Auskunftsrecht ist - in der Hauptversammlung am 23. April 2009 gar nicht geltend gemacht hat. Die Beurteilung, ob auf diese Fragen des Antragstellers nur geantwortet worden ist oder ob die Fragen auch beantwortet worden sind, ist Bestandteil der inhaltlichen Auseinandersetzung der Verfahrensbeteiligten sowie der Anlass für das vorliegende Verfahren und damit der Kern der gerichtlichen Entscheidung.

Deshalb bedürfen die allein am Wortlaut ansetzenden Erwägungen der Parteien letztlich auch keiner Vertiefung. Es ist für den Informationsanspruch des Antragstellers nach § 131 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG und für die Beurteilung, ob diesem Begehren entsprochen worden ist oder nicht, zwar vom Wortlaut der Sprachbeiträge auszugehen, indes der Kern des Gewünschten und die Substanz des Gebotenen entscheidend dafür ist, ob der Informationsanspruch des Antragstellers - noch - besteht oder - schon - erfüllt ist.

Für die Beurteilung dieser Frage kann für das vorliegende Verfahren auch der Text der von der Antragsgegnerin vorgelegten Typoskripte ergänzend und erhellend heran¬gezogen werden, weil danach weder zum Kern noch in der Substanz eine entscheidungs¬erhebliche Differenz zwischen diesen Abschriften und dem Inhalt des notariellen Protokolls besteht. Die Typoskripte bieten vielmehr sogar einen eigenständigen Erkenntnisbeitrag, weil sie die Entwicklung von Rede und Antwort plastischer machen und gerade in der zeitlichen Abfolge noch deutlicher als nach dem Inhalt der notariellen Niederschrift erkennbar werden lassen, das dem Informationsbegehren des Antragsstellers durch die Herrn für den Antragsteller gegebenen Antworten von Rechtsanwalt und durch den Vorstandsvorsitzenden der Antragsgegnerin im Kern und damit im Ergebnis nicht entsprochen worden ist.

5.

Dieser Kern des von Herrn für den Antragsteller in der Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 23. April 2009 geltend gemachten Informationsbegehrens ging dahin, von der Antragsgegnerin Auskunft darüber zu erhalten, welches quantitative wirtschaftliche Gewicht die Honorareinkünfte des Rechtsanwalts aus Mandaten mit der -Gruppe an den gesamten Honorareinkünften von Rechtsanwalt aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt hatten und haben.

a)

Rechtsanwalt nahm an der Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 23. April 2009 als amtierender Aufsichtsratsvorsitzender der Antragsgegnerin und aufgrund dieser Funktion kraft der Satzung der Antragsgegnerin zugleich und zusätzlich als Versammlungsleiter der Hauptversammlung teil. Gegenstand der Tagesordnung dieser Hauptversammlung (Tagesordnungspunkt 5) war die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Antragsgegnerin durch Wahl (§§ 124 Abs. 1 Satz 1, 119 Nr. 1, 101 Abs. 1, 124 Abs. 2 Satz 1 AktG).

Für Rechtsanwalt stand die erstmalige Wahl als Mitglied des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin auf der Tagesordnung ihrer Hauptversammlung. Rechtsanwalt war nämlich zuvor in einem Verfahren nach § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG, also durch gerichtliche Entscheidung auf Antrag des Vorstands der Antragsgegnerin (§ 104 Abs. 1 Satz 2 AktG), zum Mitglied des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin bestellt und von diesem sodann zu seinem Vorsitzenden gewählt worden (§ 107 Abs. 1 Satz 1 AktG).

Der Unternehmensverbund der sogenannten -Gruppe hält fast die Hälfte des Stammkapitals der Antragsgegnerin, ist also deren Mehrheitsaktionärin. Weitere bedeutende Anteile am Stammkapital der Antrags¬gegnerin waren der -Gruppe aufgrund eines öffentlichen Anteilsübernahme¬angebots im Verlauf des Jahres 2008 angedient worden. Diese Anteile wurden und werden im Augenblick allerdings noch von anderen Anteilseignern gehalten und sind damit nur mittelbar der -Gruppe zuzurechnen. Schon vor der Hauptversammlung am 23. April 2009 war allgemein bekannt geworden, dass Rechts¬anwalt seit langer Zeit zum Beraterkreis der -Gruppe gehört hatte und weiterhin gehört, und in dieser Funktion die Übernahmebemühungen der -Gruppe betreffend die Antragsgegnerin begleitet hatte und noch begleitete.

b)

Das Informationsbegehren des Antragstellers zielte auf Tatsachen betreffend das Ausmaß der eigenen wirtschaftlichen Vorteile eines Wahlbewerbers für ein herausge¬hobenes organschaftliches Leitungs- und Führungsamt bei der Antragsgegnerin aus Beratungstätigkeiten für deren Hauptaktionärin.

Zwar besteht kein sachlicher Bezug dieses Informationsbegehrens zu den Inkompatibilitätsregelungen für Aufsichtsratmitglieder nach § 100 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 AktG. Der Antragsteller hat auch nicht aufgezeigt, dass die Satzung der Antragsgegnerin weitergehende Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder enthalte (§ 100 Abs. 4 AktG). Jedoch hatten der Vorstand und der Aufsichtsrat der Antrags¬gegnerin vor der Hauptversammlung am 23. April 2009 eine Erklärung nach § 161 AktG abgegeben, wonach sie den Empfehlungen der Regierungskommission Corporate Governance Kodex uneingeschränkt entsprechen werden. Diese Erklärung war vor der Hauptversammlung am 23. April 2009 weder widerrufen noch eingeschränkt worden.

c)

Zu den danach zu beachtenden Empfehlungen (Ziffer 5.4.2) gehört auch, dass

"… dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung ausreichende Zahl unabhängiger Mitglieder angehören …" sollen.

Der Empfehlungstext definiert dabei in Satz 2:

"Ein Aufsichtsratsmitglied ist als unabhängig anzusehen, wenn es in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand steht, die einen Interessenkonflikt begründet."

Dadurch und in dieser Hinsicht erlangte das Informationsbegehren des Antragstellers nach dem Gewicht der wirtschaftlichen Vorteile aus beruflichen Beratungstätigkeiten für die Hauptaktionärin der Antragsgegnerin seine sachliche und persönliche Berechtigung im Zusammenhang mit der anstehenden Wahl von neuen Mitgliedern des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin.

6.

Diesem Informationsbegehren des Antragstellers musste die Antragsgegnerin nachkommen (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG).

a)

Nach Lage der Dinge war es für den Vorstand der Antragsgegnerin als primär Auskunftsverpflichtetem sicher naheliegend und auch sachgerecht, die Erfüllung des Informationsbegehrens zunächst auf den Wahlbewerber zu delegieren, weil dadurch an sich auf kürzestem Wege erschöpfende und zutreffende Auskünfte zu erwarten waren. Es kam hinzu, dass der Antragsteller durch Herrn Rechtsanwalt durch die Formulierung der gestellten Fragen direkt - persönlich - angesprochen hatte, obwohl dies nach dem Regelungsregime des Aktiengesetzes an sich nicht der ihm zur Verfügung stehende Weg war.

Ob es unbeschadet dessen klug war, Rechtsanwalt selbst die Antwort gegenüber Herrn zu überlassen, entzieht sich rechtlicher Bewertung. Dagegen könnte sprechen, dass Rechtsanwalt an der Hauptversammlung bereits in einer schwierigen Doppelrolle mit Doppelverantwortung zum einen als amtierender Aufsichtsrats¬vorsitzender und zum anderen als Versammlungsleiter teilnahm und daneben zusätzlich erstmaliger Wahlbewerber einer Wahl zum Mitglied des Aufsichtsrats war, dem ein nach Lage der Dinge erkennbar brisantes Auskunftsbegehren vorgelegt wurde.

b)

Rechtsanwalt ist bei seinen Antworten auch auf die zeitlich nachfolgenden ergänzenden Nachfragen von Herrn dem Kern des berechtigten Informationsbegehrens ausgewichen. Rechtsanwalt hat durch die für sich betrachtet wahrscheinlich sogar zutreffende Bemerkung, er selbst habe kein persönliches Beratungsmandat als Rechtsanwalt von der -Gruppe, das Mandat sei vielmehr der Rechtsanwaltskanzlei erteilt, der er, Herr , angehöre, den Kern des Informationsbegehrens nicht aufgenommen, sondern hat es mit seiner Antwort in eine Richtung gelenkt, deren tatsächliche Basis als nicht mehr zum Gegenstand der Tagesordnung der Antragsgegnerin gehörend angesehen werden musste, weil mit Bezug auf die Kanzlei & Entschließungen der Hauptversammlung der Antragsgegnerin nicht anstanden und auch nicht zu erwarten waren. Rechtsanwalt hat sich bei seinen Antworten auf die ihm gestellten Fragen der rhetorisch geschickt formulierten Finesse des bewussten Missverstehens bedient, um den Fragesteller dann in der Folgezeit auf die zurückhaltende Informationspraxis der Rechtsanwaltskanzlei & hinweisen, mit Bezug darauf jede weitere Nachfrage in eine falsche Richtung bringen und dann umso leichter und für sich betrachtet ohne weiteres nachvollziehbar alles weitere Insistieren des Fragestellers im Ergebnis leerlaufen lassen zu können.

Der Respekt vor dieser kommunikativen Leistung von Rechtsanwalt ändert an ihrer rechtlichen und inhaltlichen Insuffizienz in Ansehung des Informationsbegehrens des Antragstellers nichts.

7.

In der Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 23. April 2009 haben weder der Vorstand der Antragsgegnerin noch Rechtsanwalt gegenüber dem Informationsbe¬gehren des Antragstellers ein Recht zur Auskunftsverweigerung geltend gemacht.

a)

Wie § 131 Abs. 3 Satz 2 AktG in Verbindung mit § 131 Abs. 5 AktG zeigt, muss in Fällen der Auskunftsverweigerung der Verweigerungsgrund ausdrücklich beansprucht und genannt, also in Anspruch genommen werden, um überhaupt Beachtung finden zu können.

Ob ein Auskunftsverweigerungsgrund danach insbesondere im gerichtlichen Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG noch nachgeschoben werden kann und wenn, dann mit welchen tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen an die Nachvollzieh¬barkeit des beanspruchten Verweigerungsgrundes berücksichtigt werden muss, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner allgemeinen Klärung. Denn von den allein nach dem Gesetz möglichen (§ 132 Abs. 3 Satz 2 AktG) Auskunftsverweigerungsgründen kommt im vorliegenden Verfahren allenfalls der Auskunftsverweigerungsgrund nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG (strafbewehrte Geheimhaltungspflicht) in Betracht. Die Voraus¬setzungen dieses Auskunftsverweigerungsgrundes liegen jedoch offensichtlich nicht vor.

Denn auf die von der Antragsgegnerin in diesen Zusammenhang gestellte berufliche Verschwiegenheitspflicht eines Rechtsanwalts nach § 43 a Abs. 2 Satz 1 BRAO, deren Verletzung in der Tat auch strafbewehrt sein kann (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB), kann sich die Antragsgegnerin weder für sich noch für ihre Vorstandsmitglieder berufen, weil weder sie selbst noch die Mitglieder ihres Vertretungsorgans (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG) rechtsanwaltliche Tätigkeiten ausüben und es für sie auch nicht um die Wahrung ihr/ihnen in diesem Zusammenhang anvertraute(r) Privatgeheimnisse geht.

b)

Die danach fehlende Berechtigung der Antragsgegnerin zur Auskunftsverweigerung unter Bezug auf § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG und die deshalb fortbestehende Pflicht zur Auskunft kann die Antragsgegnerin auch nicht dadurch quasi unterlaufen, dass sie die ihr obliegende Informationspflicht auf Personen verlagert, die vielleicht persönlich beruflichen Verschwiegenheitspflichten unterliegen könnten. In dieser Hinsicht wäre die Delegation der Erfüllung des Informationsbegehrens des Antragstellers auf Rechtsanwalt für den Vorstand der Antragsgegnerin schon im Ansatz eine fehlerhafte Ausübung des Ermessens wie und durch wen dem berechtigt vorgebrachten Auskunftsbegehren eines Aktionäres entsprochen werden kann und soll. Dies gilt unabhängig davon, dass nach Lage der Dinge die Delegation als solche und an sich sachgerecht erscheinen konnte und zumindest auf erste Sicht auch durchaus vernünftig erschienen sein mag.

8.

Zur Pflicht des Vorstands der Antragsgegnerin zur Erfüllung berechtigt gestellter Informationsbegehren gehört danach nicht nur das Bemühen um eine inhaltliche, also sachlich befriedigende Erfüllung, sondern in gleicher Weise auch die durch ein ordnungsgemäßes Verfahren begleitete Unterstützung bei der effektiven Verwirklichung dieses Rechts, also einer aktiven Mitwirkung daran, dass dem Informationsrecht tatsächlich Geltung verschafft wird.

a)

Der dafür erforderliche Weg und insbesondere das dabei zu beobachtende Verfahren müssen dabei so angelegt sein, dass unter den konkreten Rahmenbedingungen einer oft großen Präsenzveranstaltung mit vielen Teilnehmern und Arbeitsthemen die unterschiedlichen und oftmals widerstreitenden Rechte und Interessen der einzelnen Akteure in eine der Bedeutung ihrer rechtlichen Anliegen angemessene praktische Konkordanz gebracht werden.

b)

In diesem Zusammenhang musste die Antragsgegnerin bedenken, dass die Berufs¬verschwiegenheit eines Rechtsanwalts nach § 43 a Abs. 2 Satz 1 BRAO bei einer allseits bekannten langjährigen Mandatsbeziehung mit einer immer wieder herausgestellten und betonten besonderen Stellung eines bestimmten Beraters ohnehin nur noch begrenzt geheimhaltungsfähige und geheimhaltungsbedürftige Elemente aufweisen konnte.

Die Antragsgegnerin musste bei der von ihr anzustellenden Abwägung auch berücksichtigen, dass gerade der in diesem Zusammenhang immer wieder genannte Berater, Rechtsanwalt , erst kurze Zeit vor der Hauptverhandlung in einem gerade wegen der großen zeitlichen Nähe zur Hauptver¬sammlung nicht unumstritten gebliebenen Bestellungsverfahren nach § 104 Abs. 1 AktG (21 T 2/09 Landgericht Hannover) seine organschaftliche Mitwirkungsberechtigung im Aufsichtsrat der Antrags¬gegnerin erlangt hatte und noch in der Einladung zur Hauptversammlung am 23. April 2009 ein teilweise abweichender Personalvorschlag des Aufsichtsrats der Antrags¬gegnerin für die künftige Zusammensetzung des Aufsichtsrats gemacht worden war.

c)

Zu bedenken war für die Antragsgegnerin, also für die Mitglieder ihres Vorstands, zudem, dass die Verschwiegenheitspflicht eines Rechtsanwalts nach § 43 a Abs. 2 Satz 1 BRAO kein absolutes Recht und damit kein Selbstzweck ist, sondern zur Disposition dessen steht, zu dessen Schutz die Geheimhaltungspflicht begründet ist, also zum Schutz der Mandanten des Rechts¬anwalts, dem sie ihre privaten Geheimnisse anvertraut haben. "Die Mandanten von Rechtsanwalt ", zumindest maßgebliche und führende Vertreter aus dem Kreis der " -Mandate" der Rechtsanwaltskanzlei & waren am 23. April 2009 im Veranstaltungssaal anwesend. Als zuvor im Verfahren nach § 104 Abs. 1 AktG ebenfalls gerichtlich bestellte neue Mitglieder des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin saßen sie sogar - im Zweifel - mit auf dem Versammlungspodium. Es wäre deshalb nicht nur naheliegend, sondern auch einfach zu vollziehen gewesen, wenn der Vorstand der Antragsgegnerin diese Personen um die gegebenenfalls erforderliche Entbindung von Rechtsanwalt von dessen beruflicher Schweige¬pflicht gebeten hätte.

Die Kammer vermag in diesem Zusammenhang der Rechtsauffassung der Antrags¬gegnerin nicht beizutreten, aus der Bearbeitung der Vorbereitung des ersten Teils des Informations¬begehrens des Antragstellers durch die anwaltlichen Vertreter der -Gruppe im Backoffice der Hauptversammlung am 23. April 2009 ("Beantwortung: Recht " bezüglich der Fragen 60, 133 und 155) ergebe sich konkludent sowohl eine von der Antragsgegnerin geäußerte Schweigepflichtentbindungsbitte als auch zugleich die Verweigerung der Schweigepflichtentbindung durch die Vorformulierung der Antworten. Die Antragsgegnerin übersieht dabei, dass es schon als nicht unbedenklich gewertet werden könnte, wenn offenbar nicht unter der Leitungsverantwortung des Vorstands der Antragsgegnerin stehende - insoweit also fremde - Berater eigene Informations¬pflichten der Antragsgegnerin letztverantwortlich vorbereitend bearbeiten. Abgesehen davon ist keinesfalls offensichtlich, ob die Mandanten oder die diese repräsentierenden und leitenden Vertreter der Mandanten von Rechtsanwalt und der Kanzlei & , die letztlich sehr einfache Frage des Antragstellers als zu ihrem Schutz geheimhaltungsbedürftige Tatsachen werten werden. Denn in die auch dabei notwendige Abwägung muss einbezogen werden, dass und gegebenenfalls welche Schlüsse sich aus einer verweigerten Antwort ziehen lassen könnten.

E.

1.

Nach alledem muss das zulässige Informationsbegehren des Antragstellers durch gerichtliche Entscheidung "an den Anfang zurückgebracht", also zur Erfüllung durch die Antragsgegnerin gestellt werden. Erst das sich anschließende weitere Verfahren wird zeigen, ob die Antragsgegnerin in der Lage ist oder sich in die Lage versetzen kann, dem Antragsteller die von ihm erstrebte Auskunft tatsächlich auch inhaltlich zu geben. Das gesetzlich vorgesehene Verfahren dazu muss die Antragsgegnerin allerdings strikt beachten, um den ihr möglichen Beitrag dazu zu leisten, dass dem berechtigten Informationsbegehren des Antragstellers effektive Wirkung gegeben und erhalten werden kann. Die Pflicht der Antragsgegnerin findet ihre Grenze nur im Gesetz.

2.

Angesichts dessen kann für die Entscheidung nicht berücksichtigt werden, was die Antragsgegnerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2009 veranlasst und im Schriftsatz vom 31. Juli 2009 vorgebracht hat.

Zwar besteht in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht der strikte Grundsatz, dass nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung neues Vorbringen nicht berück¬sichtigt werden darf (§ 286 a ZPO), sofern es nicht ausdrücklich zuvor beantragt worden war (§§ 282, 283 ZPO) oder die engen Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vorliegen (§ 156 ZPO). Im Gegenteil: § 23 FGG gibt vielmehr ausdrücklich die Möglichkeit, bei der Entscheidung auch noch neue Tatsachen zu berücksichtigen, wenn dazu rechtliches Gehör gewährt worden ist (Artikel 101 Abs. 1 GG).

Die Kammer sieht im vorliegenden Verfahren jedoch von der Anwendung von § 23 FGG ab.

Denn in der mündlichen Verhandlung ist ein nicht nur in den Grundlinien, sondern sogar schon in Textformulierungen ausführlich diskutierter Konsens der Verfahrensbeteiligten nur daran gescheitert, dass die Antragsgegnerin meinte, darauf bestehen zu müssen, dass alles das, was sie in diesem Zusammenhang tue, nur freiwillig geschehe, während der Antragsteller gerade darauf Wert legte, dass von Gesetzes wegen das geboten sei, was er von der Antragsgegnerin erwarte.

Ein solches Verfahrensverhalten beider Verfahrensbeteiligten erfordert eine aus¬drückliche gerichtliche Entscheidung der aufgeworfenen Streitfragen, der die Antrags¬gegnerin jetzt auch nicht mehr ausweichen kann.

F.

Die Kostenentscheidung ergeht nach den §§ 132 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1, 132 Abs. 5 Sätze 1 und 7 AktG, §§ 13 Abs. 1, 13 Abs. 2 Satz 1, 13 a Abs. 1 Satz 1 FFG, § 3 Nr. 1 KostO. Inhalt und Ausgang des Verfahrens rechtfertigen die ausnahmsweise volle Überbürdung der gesamten Verfahrenskosten auf die Antragsgegnerin.

Der Geschäftswert für das Verfahren ist nach § 132 Abs. 5 Sätze 5 und 6 AktG von Amts wegen zu bestimmen.

G.

Die sofortige Beschwerde ist zuzulassen (§ 132 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AktG).

Das vorliegende Verfahren hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung für den Inhalt und den Umfang des aktienrechtlichen Informationsbegehrens nach § 131 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG, den Inhalt und die Anforderungen des Protokollierungsantragsrechts nach § 132 Abs. 5 AktG, das Verständnis von § 132 Abs. 3 Satz 2 AktG im Verhältnis zu den Auskunftsverweigerungsgründen in § 132 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 - 7 AktG im Allgemeinen und dem nach § 132 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 im Besonderen, dem Inhalt des Geheim¬haltungsrechtes nach § 132 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG und den Anforderungen an die praktische Konkordanz der Norm zu den beruflichen Verschwiegenheitspflichten nach § 43 a Abs. 2 Satz 1 BRAO, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie den von einer Aktiengesellschaft dabei zu beachtenden Verfahrensgrundsätzen.

gez. gez. gez.

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