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Insolvenzverfahren: Zuständigkeit bei wohnsitzlosem Insolvenzschuldner

Landgericht Hannover

Geschäfts-Nr.:

20 T 21/10

907 IK 2385/09 -0- Amtsgericht Hannover

Hannover, 08.09.2010

Beschluss

In dem Insolvenzantragsverfahren

der D. GmbH

Antragstellerin und Beschwerdeführerin

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte B.

Gerichtsfach Nr. 60

gegen

Herrn B. zuletzt wohnhaft

Antragsgegner

hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover am 08.09.2010 durch die Richterinnen am Landgericht C., N. und K. beschlossen:

Das Verfahren wird der Kammer zur Entscheidung übertragen, § 568 ZPO.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Hannover vom 18.03.2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer an das Amtsgericht Hannover zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 4.000,00 EUR.

Gründe:

I.

Am 30.12.2009 beantragte die Antragstellerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des B.

Der Antragsgegner habe unter dem 04.09.2009 ohne Angabe einer Anschrift sein Arbeitsverhältnis mit ihr gekündigt und sich ausweislich der Auskunft der Landeshauptstadt Hannover vom 10.09.2009 nach unbekannt abgemeldet. Mitarbeiter der Antragstellerin haben am 10.09.2009 versucht, den Antragsgegner in seiner Wohnung …..aufzusuchen. Nachbarn berichteten ihnen, dass der Antragsgegner mit seiner Familie seit längerem nicht mehr gesehen worden seien, am 04.09.2009 sei ein Möbelwagen dort gewesen.

Unter dem 01.09.2009 hatte der Antragsgegner die Rechtsanwälte F. damit beauftragt, einen freiwilligen Schuldenvergleich durchzuführen, die dies der Antragstellerin am 11.09.2009 mitteilten. Am 20.10.2009 war der Antragsgegner in einer arbeitsgerichtlichen Güteverhandlung nicht erschienen; die öffentliche Zustellung der Klage wurde angeordnet und am 01.12.2009 ein Versäumnisurteil über Forderungen von 117.390,51 EUR nebst Zinsen erlassen.

Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Hannover hat mit Beschluss vom 18.03.2010 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig zurückgewiesen und sich für örtlich unzuständig erklärt. Es sei davon auszugehen, dass sich der Antragsgegner an einem unbekannten Ort niedergelassen habe, so dass keine Wohnsitzlosigkeit vorliege und §16 ZPO i.V.m. § 4 InsO nicht einschlägig sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 31.03.2010. Der Antragsgegner habe seinen Wohnsitz aufgegeben, so dass § 16 ZPO anwendbar sei. Ein neuer Wohnsitz sei nicht bekannt. Die Ehefrau des Antragsgegners sei zwar ausweislich der Melderegisterauskunft vom 31.03.2010 noch unter der Anschrift … gemeldet, der Eigentümer der Wohnung habe jedoch mitgeteilt, dass die Familie ausgezogen sei und er nicht wisse, wo der Antragsgegner verblieben sei. Die Hausverwaltung der letzten bekannten Wohnung des Antragsgegners habe keine Informationen erteilt. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 34 Abs. 1 InsO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet und führt deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.

Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Hannover ist örtlich zuständig. Der letzte Wohnsitz des Schuldners i.S.v. § 16 ZPO, der gemäß § 4 InsO für das Insolvenzantragsverfahren entsprechend anwendbar ist, war in Hannover. Dort war der Schuldner mit seiner Familie gemeldet, hatte seine Wohnung und seine Arbeit.

Gemäß § 4 InsO, § 16 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand einer Person, die keinen Wohnsitz hat, durch den Aufenthaltsort im Inland und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, durch den letzten Wohnsitz bestimmt. Diese Voraussetzungen sind für den Gerichtsstand Hannover erfüllt.

Der Schuldner ist als wohnsitzlos anzusehen. Hat der Schuldner seinen bisherigen Wohnsitz aufgegeben und kann nicht ermittelt werden, ob und wo der Schuldner einen neuen Wohnsitz begründet hat, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem letzten Wohnsitz des Schuldners (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 29.01.2002 - 330 T 7/02 - zur Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts).

Hier hat der Schuldner seinen letzten bekannten Wohnsitz in Hannover nach unbekannt abgemeldet und ist nach Auskunft der Nachbarn mit Familie aus der Wohnung ausgezogen. Seine Arbeitsstelle hatte er gekündigt. Mitarbeiter seiner früheren Arbeitgeberin, der Antragstellerin, haben vergeblich versucht, den Schuldner persönlich an seiner letzten bekannten Anschrift aufzusuchen. In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren wurde die öffentliche Zustellung der Klage angeordnet. Der Aufenthalt des Schuldners ist nicht bekannt, ein neuer Wohnsitz ebenfalls nicht. Auch weitergehende Ermittlungen der Beschwerdekammer haben nicht zu neuen Erkenntnissen geführt. So wurde Rechtsanwalt F. vergeblich aufgefordert, den neuen Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Antragsgegners, wenn bekannt, mitzuteilen.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts genügt zum Nachweis der Wohnsitzlosigkeit, dass ein Wohnsitz trotz ernstlich angestellter Ermittlungen nicht bekannt ist, bei feststehender Aufgabe eines früheren Wohnsitzes, dass die Begründung eines neuen nicht feststellbar ist (Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 16 Rn. 4; so auch Frankfurter Kommentar zur InsO-Schmerbach, 5. Aufl., § 3 Rn. 13). Dies ist der Fall. Die angestellten Ermittlungen sind ausreichend. Die bloße Vermutung, dass der Antragsgegner mit seiner Familie einen neuen Wohnsitz begründet hat, genügt nicht zur Feststellbarkeit eines neuen Wohnsitzes.

Auch die weitere Voraussetzung dafür, dass die Zuständigkeit durch den letzten Wohnsitz bestimmt wird, nämlich, dass der Aufenthaltsort nicht bekannt ist, ist erfüllt.

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