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Insolvenzverwaltervergütung: Vergütungsanspruch trotz Unterschlagung in anderen Insolvenzverfahren

Landgericht Hannover

Geschäfts-Nr.: 20 T 142/08

904 IN 972/04 -1- Amtsgericht Hannover

Hannover, 13.03.2009

Beschluss

In dem Insolvenzverfahren

über das Vermögen der S mbH,

Beteiligter:

Rechtsanwalt W. als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn M.,

Beschwerdeführer

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

Insolvenzverwalter:

Herr H.

hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 12. September 2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 28. August 2008 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 02. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht und den Richter am 13. März 2009 beschlossen:

Der Beschluss vom 28. August 2008 wird aufgehoben.

Der Vergütungsanspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 19. August 2004, eingegangen am 20. August 2004 ordnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 20. August 2004 vorläufige Maßnahmen nach den §§ 21 ff. InsO an und bestellte Herrn M. zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

Mit Beschluss vom 24. November 2004 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr M. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2005 trat Herr M. von seinem Amt als Insolvenzverwalter zurück. Das Insolvenzgericht bestellte mit Beschluss vom 29. Juni 2005 H. zum neuen Insolvenzverwalter. Der Rücktritt durch Herrn M. von seinem Amt als Insolvenzverwalter ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass er zwei Tage zuvor Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft Hannover erstattete, worauf ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue gegen ihn eingeleitet wurde.

Herr M. wurde mit Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 16. Oktober 2007 wegen Untreue in 106 Fällen in den Jahren 2000 bis 2005 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Aus dem Urteil geht hervor, dass Herr M. in seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter mehrfach Gelder der Insolvenzmasse veruntreute, jedoch nicht in dem vorliegenden Insolvenzverfahren.

Ferner stellte sich heraus, dass Herr M. den Titel Diplom-Betriebswirt, ohne eine entsprechende akademische Ausbildung absolviert zu haben, führte. Strafrechtlich belangt wurde er hierfür nicht. Auch im vorliegenden Insolvenzverfahren gab er sich als Diplom-Betriebswirt aus.

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 beantragte der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn M., dessen Vergütung für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter in dem hiesigen Verfahren auf insgesamt 14.497,55 € festzusetzen. Nach Anhörung des derzeitigen Insolvenzverwalters wies das Insolvenzgericht den Antrag mit Beschluss vom 28. August 2008 zurück. Es begründete seine Entscheidung - unter Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 06.05.2004, IX ZB 349/02 - damit, dass Herr M. seine Bestellung zum Insolvenzverwalter erschlichen habe. Hätte er das Gericht über die Untreuehandlungen in anderen Verfahren aufgeklärt, wäre er nicht zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Gegen den am 5. September 2008 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 12. September 2008 sofortige Beschwerde ein, zunächst ohne diese weiter zu begründen.

Das Insolvenzgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab.

Mit seinem Schreiben vom 8. Januar 2009 begründete der Beschwerdeführer seine sofortige Beschwerde damit, dass weder das Führen des falschen Titels Diplom-Betriebswirt, noch die strafrechtliche Verurteilung wegen Untreue die Versagung der Insolvenzverwaltervergütung rechtfertigen würden. Anders als in dem durch das Amtsgericht zitierten Urteil, sei Herr M. nicht wegen des Missbrauchs von Titeln verurteilt worden. Auch sei das Tragen des falschen Titels für die Bestellung nicht kausal geworden. Vielmehr sei Herr M. aufgrund seiner hohen Akzeptanz und seiner jahrelangen Erfahrung zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Die Verurteilung begründe ebenso keine Verwirkung des Vergütungsanspruchs, da Herr M. in diesem Verfahren ordnungsgemäß gearbeitet habe. Die Untreuehandlungen in anderen Verfahren könnten sich nicht auf dieses auswirken.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig und begründet.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Festsetzung der Vergütung zu Unrecht zurückgewiesen. Dem Beschwerdeführer steht gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 InsO ein Anspruch auf Vergütung der Tätigkeit des Herrn M. als Insolvenzverwalter in diesem Insolvenzverfahren zu.

1. Dem Amtsgericht ist zwar insoweit zuzustimmen, als dass sich Herr M. aufgrund der begangenen Untreuehandlungen im Rahmen seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter als für dieses Amt persönlich ungeeignet erwiesen hat. Ehrlichkeit und persönliche Integrität zählen zu den persönlichen Anforderungen an jeden Insolvenzverwalter.

Doch rechtfertigt allein die Ungeeignetheit zur Amtsführung nicht eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs. Bei der Insolvenzverwaltervergütung handelt es sich um eine reine Tätigkeitsvergütung. Eine Verwirkung soll nur bei gewichtigen, vorsätzlichen oder zumindest leichtfertigen Pflichtverstößen in Betracht kommen, da der Insolvenzverwalter gemäß Art. 12 Abs. 1 GG einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf eine seiner Qualifikation und Tätigkeit angemessene Vergütung hat (BGH, Beschluss vom 06.05.2004, IX ZB 349/02).

Dass gewisse Pflichtverstöße im Rahmen der Insolvenzverwaltertätigkeit die Verwirkung des Vergütungsanspruchs rechtfertigen, ist laut Rechtssprechung des BGH einem Grundgedanken des § 654 BGB zu entnehmen. Danach ist eine Verwirkung des Lohnanspruchs eines Maklers immer dann anzunehmen, wenn dieser unter vorsätzlicher oder grob leichtfertiger Verletzung wesentlicher Vertragspflichten den Interessen seiner Auftraggeber in wesentlicher Weise zuwidergehandelt hat (BGH, a.a.O.).

2. Allein die Veruntreuung von Geldern in anderen Insolvenzverfahren stellt keinen Pflichtverstoß dar, der eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs im vorliegenden Insolvenzverfahren rechtfertigt. Herrn M. ist im vorliegenden Verfahren keine Untreuehandlung vorzuwerfen. Herr M. hat im hiesigen Insolvenzverfahren nachweislich ordnungsgemäß gearbeitet.

3. Auch ist ein Pflichtverstoß nicht mit der Argumentation des Amtsgerichts zu begründen, dass Herr M. das Gericht bei seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter über seine Veruntreuungen in anderen Insolvenzverfahren nicht aufgeklärt hat. Würde man dieser Argumentation folgen, würde sich jeder Pflichtverstoß in einem einzigen Verfahren auf alle künftigen Verfahren auswirken. Im Extremfall würde ein Insolvenzverwalter der nur ein einziges Mal einen groben Pflichtverstoß beging, der es rechtfertigen würde, ihn künftig nicht mehr als Insolvenzverwalter zu bestellen, für alle späteren Verfahren seine Vergütungsansprüche verwirken.

4. Ein Pflichtverstoß, der eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs rechtfertigt, ist auch nicht darin zu sehen, dass Herr M. bei seiner Bestellung den Titel Diplom-Betriebswirt führte, obwohl er einen entsprechenden Hochschulabschluss nicht besitzt. Zwar hat Herr M. vorgegeben einen entsprechenden Diplomtitel zu haben, doch hat er sich die Bestellung, anders als der Insolvenzverwalter in dem vom BGH entschiedenen Fall, nicht durch das Tragen des falschen Titels erschlichen. In dem vom BGH entschiedenen Fall, auf den sich das Amtsgericht in seinem Beschluss stützt, stand fest, dass der Insolvenzverwalter ohne den Titel nicht bestellt worden wäre, da er fachlich und persönlich für das Amt des Insolvenzverwalters nicht geeignet war. Aufgrund des falschen Titels ging das Gericht in dem vom BGH entschiedenen Fall irrtümlich davon aus, dass die nötige Qualifikation bei dem Bewerber vorhanden war.

Im vorliegenden Fall war Herr M. aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Insolvenzverwalter und anderer betriebswirtschaftlicher Tätigkeiten fachlich für das Amt geeignet. Dies wird durch das Amtsgericht auch nicht in Abrede gestellt. Da anzunehmen ist, dass Herr M. auch ohne den Titel Diplom-Betriebswirt zum Insolvenzverwalter bestellt worden wäre, kann nicht von einem Erschleichen der Bestellung gesprochen werden. Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall, kann deshalb im vorliegenden Fall nicht darauf geschlossen werden, dass das Täuschen mit dem Titel ursächlich für die Bestellung geworden ist. Andernfalls würde man außer acht lassen, dass Herr M. nachweislich die fachliche Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters besessen hat.

5. Schließlich ist eine Verwirkung nach den Gesamtumständen als unverhältnismäßig anzusehen. Herr M. hat im hiesigen Insolvenzverfahren ordnungsgemäß gearbeitet. Eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs aufgrund der begangenen Straftaten würde einer doppelten Bestrafung gleichkommen. Das Tragen des falschen Titels stellt vor dem Hintergrund, dass es für die Bestellung zum Insolvenzverwalter offensichtlich nicht ursächlich geworden ist, ebenfalls keinen Pflichtverstoß dar, der eine Verwirkung in diesem konkreten Fall als angemessen erscheinen lässt.

6. Eine Überprüfung des Vergütungsanspruchs der Höhe nach ist durch das Amtsgericht vorzunehmen.

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